Roy Palmer - Seewölfe - Piraten der Weltmeere 490

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Unbemerkt von den Spaniern hatten sich die «Empress of Sea» und die «Le Griffon» jenseits der Riffbarriere bis dicht an das Flagschiff «Snat Jago» pirschen können, und als sie das Feuer eröffneten, war der Teufel los. Aus nur etwa sechzig Yards Entfernung jagten die normannischen Schrats des Edmond Bayeux die Ladungen ihrer acht Steuerbord-Culverinen in die «Sant Jago». Die «Empress of Sea» befand sich noch dichter am Gegner, und die Mannen Old O'Flynns setzten die Drehbassen ein. Das dröhnte, krachte und rauchte, Splitter und Trümmer wirbelten durch die Luft, Pulverschwaden waberten über die See…

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Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-898-0

Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de

Roy Palmer

Jäger im Kielwasser

Der Feind wurde gestellt – und dann schlugen sie zu

Don Diego de Campos, Generalkapitän und zur Zeit Verbandschef über drei spanische Kriegsgaleonen, schlug die Warnungen seiner beiden Kommandanten mal wieder in den Wind. Und im Wind blieb dann auch sein Flaggschiff „Sant Jago“ stehen, als die Wende in der schmalen und gefährlichen Passage zwischen Middle Caicos und East Caicos vermasselt wurde. Im Kielwasser der „Sant Jago“ segelte die „San Sebastian“, deren Kommandant, Capitán de Mello, dem jetzt achteraus treibenden Flaggschiff mit Hartruderlage ausweichen mußte, wenn er keine Ramming fahren wollte. Das Ausweichmanöver des letzten Augenblicks endete für die „San Sebastian“ leider auf einem Riff. Und leider leistete sich der Generalkapitän noch ganz andere Schnitzer …

Die Hauptpersonen des Romans:

Don Diego de Campos– der Generalkapitän mißachtet das Gebot, daß ein Kapitän als letzter sein Schiff verläßt.

Juan de Alvarez– der Kommandant der „Monarca“ pfeift auf Gehorsam und rettet dafür Schiffbrüchige.

Old Donegal O’Flynn– hat verschiedene Gründe, eine Flasche Rum kreisen zu lassen.

Edmond Bayeux– spielt mit seinen normannischen Riesenlümmeln zum Tänzchen auf.

Philip Hasard Killigrew– hält sich eisern an die Gebote der Ritterlichkeit.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

1.

Irgend etwas lag in der Luft. Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, spürte es mit dem untrüglichen Instinkt des Naturmenschen. Er wußte, daß etwas geschehen würde. Entweder gab es neuen Ärger mit den Spaniern, oder das Wetter schlug um oder im Urwald der Insel lauerte eine Gefahr auf ihn. Genau wußte er seine Gefühle nicht zu deuten, doch er ahnte, daß es neuen Verdruß geben würde.

Batuti war allein. Er arbeitete sich durch die Inselwildnis voran, hielt nach allen Seiten Ausschau und war ständig auf Gefahr vorbereitet. Poch, zuviel Zeit durfte er auch nicht verlieren. So wurde er einerseits von Eile vorwärtsgetrieben, durfte andererseits aber auch die wichtigsten Sicherheitsmaßnahmen nicht außer acht lassen.

Mannigfach waren die Gefahren, die in einem Urwald wie diesem lauern konnten. Man konnte von Eingeborenen angegriffen werden, in die Falle blutrünstiger Schnapphähne tappen oder von einem wilden Tier gebissen werden, beispielsweise von einer Giftschlange. Ständig mußte man auf der Hut sein.

Der Gambia-Mann trug Pfeil und Bogen bei sich, außerdem sein Messer, das in einer Scheide des ledernen Waffengurtes steckte. Auf eine Pistole und eine Muskete hatte er absichtlich verzichtet, als er von Bord der „Isabella IX.“ gegangen war. Bei dem Auftrag, den er auszuführen hatte, wären sie ihm seiner Meinung nach nur hinderlich gewesen. Immerhin mußte er ja auch ein Spektiv mitschleppen.

Der Langbogen aus englischer Eibe war für den schwarzen Riesen Hand- und Feuerwaffe zugleich. Schließlich hatte er Brand- und Pulverpfeile dabei. Die waren im Kampf wirksamer als sein gefürchteter Morgenstern, den er – ebenfalls aus Gründen der Beweglichkeit – auch nicht hatte mitnehmen wollen.

Sollte es brenzlig werden, würden die Pfeile ihm außerdem als Signale für die Freunde dienen, die an Bord der Schiffe auf seine Rückkehr warteten. Ein aufsteigender Brandpfeil genügte, und ein ganzer Trupp Helfer setzte sich in Bewegung.

Batuti grinste. Möglich war alles, aber er hoffte, daß er keine Hilfe brauchen würde. In den meisten Lebenslagen wußte er sich allein bestens zu verteidigen. Schon mancher Kerl hatte es bereut, sich mit ihm angelegt zu haben. Wenn der Gambia-Mann so richtig loslegte, war er genauso schlimm wie Barba, der Riese von der „Caribian Queen“, der hin und wieder „die Kuh fliegen ließ“, wie er das nannte.

Das Licht des Tages begann allmählich blasser zu werden. Es war der späte Nachmittag des 9. Juni 1595. Allmählich ging es auf die Dämmerung zu. Bevor das Licht zu schwach wurde, mußte Batuti sein Ziel erreicht haben – die Westküste der Insel East Caicos. Von dort aus konnte er die Passage und die Spanier beobachten, die in die Bredouille geraten waren.

Old O’Flynn hatte die Spanier mit seiner „Empress of Sea II.“ ganz schön zum Narren gehalten. Der Verbandsführer de Campos schien im übrigen ziemlich blind oder in sein Ziel derart verrannt zu sein, daß er gar nicht richtig begriff, wie falsch sein Handeln war. Er hatte sich dazu verleiten lassen, in die Passage – Windward Going Through – zwischen Middle Caicos und East Caicos zu segeln. Prompt war die Kriegsgaleone „San Sebastian“ aufgebrummt. Jetzt mußte sie von der „Monarca“ wieder freigeschleppt werden.

Und das Flaggschiff des sehr ehrenwerten Don Diego de Campos, seines Zeichens Generalkapitän von Havanna und derzeit Vertreter des eingesperrten Gouverneurs Alonzo de Escobedo? Nun, die stolze „Sant Jago“ war wieder der „Empress“ nachgejagt und dummerweise auf ein Riff gelaufen. Batuti jedoch war dieser Umstand noch nicht bekannt, als er durch den Inseldschungel zum Westufer strebte. Er sollte erst etwas später davon erfahren.

Die „Isabella IX.“, die „Caribian Queen“ und die „Le Griffon“ ankerten an der unteren Ostküste von East Caicos hinter einer vorgelagerten kleinen Insel. Die drei Schiffe hatten geleichtert werden müssen, sonst konnten sie das Gefecht gegen den spanischen Dreier-Verband nicht aufnehmen, weil sie nicht wendig genug waren. Die Schatzlast hatte ihre Schnelligkeit und Manövrierfähigkeit beeinträchtigt. Immerhin war es ein Schatz von immensem Umfang, und entsprechend fiel das Gewicht der Truhen, Kisten und Fässer aus.

Don Antonio de Quintanillas Privatschatz! Er gehörte jetzt nicht mehr ihm, sondern dem Bund der Korsaren. Und auch Alonzo de Escobedo und Konsorten konnten sich daran nicht mehr bereichern. Hasard hatte den Señores den Schatz sozusagen vor der Nase weggeschnappt.

Aber nicht nur deshalb war de Campos derart in Fahrt. Ihm ging es vor allem darum, den gefürchteten und berüchtigten „El Lobo del Mar“ zu jagen und zu stellen. Spaniens härtesten Feind! War de Mello denn verrückt, daß er sich diesen Bastard durch die Lappen hatte gehen lassen?

Nein, er war keineswegs verrückt, dieser Capitán Don Gaspar de Mello. Er hatte aus vernunftmäßigen Erwägungen gehandelt, als er die Bucht bei Batabanó im Süden Kubas kampflos geräumt hatte. Der Seewolf hatte ihn abziehen lassen. Dabei hätte er die „San Sebastian“ mit seiner Übermacht von Schiffen mühelos versenken können.

Ein Mann wie de Campos begriff dies nicht. Als de Mello nach Havanna zurückgekehrt war und Bericht erstattet hatte, hatte ihn der Generalkapitän heruntergeputzt, denn seiner Meinung nach hätte de Mello den Gegner in der Bucht bei Batabanó „zerschmettern“ müssen. De Campos’ Reaktion war spontan und zornig zugleich gewesen: mit der „Sant Jago“, der „San Sebastian“ und der „Monarca“ war er ausgelaufen, den Seewolf das Fürchten zu lehren.

Damit klappte es allerdings nicht so ganz. Die Bucht bei Batabanó hatte man verlassen vorgefunden, wie nicht anders zu erwarten war. Doch wenigstens hatte man die vier Kerle Luiz, Pablo, Marco und Felipe schnappen können, die zu der Crew des Diego Machado gehört hatten. Die vier hatten wertvolle Hinweise geben können – was den Kurs des Feindes betraf. Luiz, Marco, Pablo und Felipe befanden sich inzwischen an Bord der „Sant Jago“ und versahen als Decksleute ihren Dienst. Von de Campos als Capitán waren sie genauso begeistert wie alle anderen Männer der „Sant Jago“, nämlich gar nicht.

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