Impressum
© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-683-2
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Yves Grammont hörte nicht auf zu fluchen, die Wut hatte ihn zu sehr gepackt. Dies hätte sein großer Tag werden können, aber am Ende war doch alles ganz anders gekommen, als er es sich am Anfang vorgestellt hatte.
Die „Louise“, seine Dreimastgaleone, war schwer angeschlagen und hatte sich aus dem Gefecht zurückziehen müssen. Die Zweimastkaravelle „Coquille“ unter dem Kommando von Saint-Jacques und die vier Schaluppen befeuerten zwar immer noch die eine Galeone der Engländer, doch schon traf das zweite Feindschiff wieder Anstalten, in das Geschehen einzugreifen.
Was das hieß, konnten sich alle vier Piratenkapitäne – auch Servan und Bauduc an Bord der Schaluppen – an ihren zehn Fingern abzählen. Ohne das Flaggschiff „Louise“ war die bevorstehende Phase des Gefechts schon jetzt verloren. So empfahl es sich auch für Saint-Jacques, Servan und Bauduc, den Rückzug anzutreten, und zwar schleunigst.
Grammont verdammte den schwarzhaarigen englischen Bastard, den er auf dem Achterdeck der einen Galeone stehen sah, in die tiefsten Schlünde der Hölle. Er verwünschte auch seine drei Unterführer, denen er in den Hintern getreten hätte, wären sie jetzt bei ihm gewesen. Doch all das nützte ihm nichts. Auch diese Partie war verspielt, das mußte er vor sich selbst eingestehen, wenn auch der Gegner dieses Mal nicht ungeschoren geblieben war. Diese eine Galeone hatte es schwer erwischt, und er, Grammont, konnte nur hoffen, daß der größte Teil der Hundesöhne, die sich an Bord befanden, tot war.
In ohnmächtigem Zorn schloß er die Augen, stieß noch ein paar lästerliche Worte aus, blickte dann zu seinen Männern und gab den Befehl, Saint-Jacques und den Leuten in den Schaluppen signalisieren zu lassen. Alles andere hatte ja doch keinen Sinn. Noch mehr Verluste wollte er nicht hinnehmen, das wäre Wahnsinn gewesen.
Wie hatte er nur derart in die Bredouille geraten können? Dies waren nicht die ersten englischen Schiffe, die er überfiel, und er hatte sich auf die „drekkigen Bastarde“ von der anderen Seite des Kanals, wie er sie nannte, in den letzten Monaten sozusagen spezialisiert. Bislang hatte er nur Erfolge zu verzeichnen gehabt.
Er hatte englische Galeonen, Karavellen und Karacken versenkt, die Besatzungen getötet und ihre Ladungen und ihre Waffen als Beute übernommen. Für die Armierungen und die Handfeuerwaffen der Schiffe hatte er eine ganz besondere Verwendung gehabt: Er hatte sie an die Bourbonen weiterverkauft.
Nun aber dieser harte Schlag. Alles hatte damit begonnen, daß Vangard, einer seiner zahlreichen Informanten, in dem Versteck bei Sillon de Talbert erschienen war und gemeldet hatte, daß zwei englische Galeonen in einer der geschützten Buchten Zuflucht vor dem Sturm gesucht und gefunden hätten.
Grammont war daraufhin sofort mit der „Louise“, der „Petite Fleur“, der „Coquille“ und der „Antoine“ ausgelaufen, um den Gegner zu überfallen und fette Beute zu machen. Dabei aber hatte er sich ins eigene Fleisch geschnitten. Gemerkt hatte er dies jedoch erst, als es schon zu spät gewesen war.
Diese Galeonen, die wie zwei harmlose Kauffahrer auf ihn und seine Männer gewirkt hatten, hatten sich in Wirklichkeit als gut bestückte Feuerspucker entpuppt – und die Piraten waren in eine für sie gestellte Falle gelaufen.
Bei diesem ersten Gefecht hatte es die „Petite Fleur“ und die „Antoine“ erwischt, die Schiffe lagen inzwischen auf dem Grund des Kanals unmittelbar vor der Bucht von Sillon de Talbert. Pierre Servan und Jean Bauduc hatten sich mit einem Teil ihrer Leute ans Ufer gerettet und sich vor den Engländern verstecken müssen, während Grammont und Saint-Jacques gezwungenermaßen den Rückzug angetreten hatten.
An Land waren Grammonts schiffbrüchige Kumpane auf einen gewissen Gustave Le Testu und einen Korsen namens Montbars gestoßen. Diese hatten ihnen zu Waffen verholfen, waren ihrerseits aber von Servan und Bauduc gründlich angeschwindelt worden.
Le Testu und Montbars, beide Hugenotten, hatten die Situation aber erst begriffen, als sie nach einem erfolglosen Angriff auf die Galeonen der Engländer von ihren entwendeten Fischerbooten aus an Bord der „Louise“ geentert waren. Da war es ihnen wie Schuppen von den Augen gefallen. Ihre an Land gewonnenen Mitstreiter waren keine Hugenotten, sondern ganz gewöhnliche Freibeuter, Galgenstricke und Schlagetots – Le Testu hatte Grammont erkannt.
Grammont hatte Le Testu und Montbars daraufhin einsperren lassen, aber das war ein schwerer Fehler gewesen, wie er inzwischen eingesehen hatte. Oder aber er hätte diese beiden durchtriebenen Hundesöhne nach Waffen durchsuchen und dann in Ketten legen, nicht einfach nur fesseln lassen sollen. Denn ihrem Einsatz war es zuzuschreiben, daß die neue Auseinandersetzung mit den Engländern eine überraschende Wende genommen hatte.
Plötzlich waren sie dagewesen, die zwei, hatten sich befreit und obendrein noch drei von seinen Männern erledigt. Le Testu hatte diese verdammte Flasche aufs Achterdeck geschleudert, die explodiert war und erheblichen Schaden angerichtet hatte, dann waren die Kerle ins Wasser gesprungen und auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Schlimm war es um die „Louise“ bestellt. Unter Deck waren viele Balken angekohlt, die Kombüse und die angrenzenden Räume waren völlig ausgebrannt. Hinzu kamen die Treffer durch die Kanonenkugeln des Gegners.
Der Brand war gelöscht, die Toten waren in die See geworfen worden, aber die „Louise“ war ein halbes Wrack, das mit leichter Schlagseite auf die Küste zuhielt. Eine erbärmlichere Niederlage hätte man Yves Grammont nicht zufügen können.
Eins war sicher: Grammont hätte Le Testu und Montbars nicht gefangennehmen sollen, denn dadurch hätte er sich eine Menge Ärger erspart. Der Hugenotte würde es auch bei seiner Aktion mit der Flaschenbombe, die er Ferris Tucker abgenommen hatte, nicht bewenden lassen, er wollte Grammont vernichten.
Grammont konnte indes noch froh sein, daß sein Schiff nicht leck war, obwohl die Flaschenbombe ein mächtiges Loch in das Achterkastell gerissen hatte.
So verholte er zur Küste und wartete die weitere Entwicklung der Ereignisse ab. Noch dröhnten die Kanonen, noch zuckten die Mündungsblitze und trieben weiße Wolken von Pulverrauch über die See, aber die Auseinandersetzung konnte nicht mehr von langer Dauer sein.
Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, stand breitbeinig auf dem Hauptdeck der „Hornet“ und gab seinen Männern die erforderlichen Befehle. Eiskalt hatte er die Lage abgeschätzt und wußte jetzt, daß er sich um die Schaluppen nicht mehr kümmern durfte. Seine ganze Konzentration galt der „Coquille“, die er in diesem Augenblick wieder durch eine halbe Steuerbordbreitseite unter Beschuß nehmen ließ.
Brüllend spuckten die Culverinen ihre Ladungen aus, die schweren Siebzehnpfünder rollten auf den Hartholzrädern ihrer Lafetten zurück und wurden durch die Brooktaue aufgefangen. Sofort sprangen Al Conroy, Matt Davies, Roger Brighton und die anderen Geschützführer vor und kratzten die Rohre aus, dann luden sie unverzüglich nach.
„Zwei Treffer!“ schrie Bill, der seinen Posten als Ausguck jetzt von dem Galion aus versah. „Aber der Hund hat die Nase immer noch nicht voll!“
„Achtere Steuerbordgeschütze – Feuer!“ schrie der Seewolf.
Wieder zischten die Lunten und wummerten die Kanonen, dieses Mal lagen drei Schüsse im Ziel. Von Bord der Piratenkaravelle klang wütendes Geheul zu den Männern der „Hornet“ herüber.
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