Impressum
© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-793-8
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Fred McMason
Konvoi der Pulverschiffe
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
1. Mai 1594, vormittags.
Über der Karibischen See ging groß und gewaltig das Flammenrad der Sonne auf. Scheinbar schwerelos tauchte der riesige Ball aus dem Wasser und stieg unmerklich höher.
Es versprach, ein heißer Tag zu werden.
Zwei Schiffe schienen genau in den sengenden Ofen hineinzusegeln. Das eine war die „Pommern“ unter Philip Hasard Killigrew, die Perlengaleone, die einst „Santa Clara“ hieß und vom Bund der Korsaren den Dons abgenommen worden war. Sie war umgebaut worden, so daß die Spanier ihr einstiges Schiffchen nicht mehr identifizieren konnten.
Das zweite Schiff wirkte ganz anders als die Galeone.
Es war ein düsterer, fast schwarzer Zweidecker mit starker Armierung. Als ihn jetzt die Sonne grell beschien, wirkte die „Caribian Queen“ fast noch unheimlicher. Auch sie hatte den Besitzer gewechselt und gehörte noch vor kurzem der Black Queen und ihrem Geliebten Caligula.
Jetzt, nach dem letzten Raid auf die Queen, gehörte sie dem Bund der Korsaren und unterstand dem Kommando von Dan O’Flynn. Auf ihr befanden sich auch Ferris Tucker, der Profos Edwin Carberry, Hasard junior, ein paar weitere Seewölfe und ein paar Männer von der „Wappen von Kolberg“.
Mit sechzehn Mann an Bord war sie genauso unterbemannt wie die Galeone „Pommern“. Was den Seewölfen jedoch an Hands fehlte, verstanden sie durch Können, harten Einsatz und Geschicklichkeit auszugleichen.
Der Wind wehte nur mäßig aus Nordost bei leichter langrollender Dünung.
Ihr Ziel war die Schlangen-Insel, um die Beute – in diesem Fall die „Caribian Queen“ – einzubringen und dem Bund der Korsaren zu überstellen, denn der Zweidecker war robust und stabil gebaut und konnte die Flotte tatkräftig unterstützen.
Hasard und Dan O’Flynn liefen hart unter der Küste von Kuba, um Höhe zu haben, wenn sie nach Passieren der Windward-Passage die nordöstlicher gelegenen Caicos-Inseln ansteuerten. Drehte der Wind dann nicht und blies immer noch aus Nordost, würden sie aufkreuzen müssen. Aber bis dahin blieb noch viel Zeit, denn die Küste zog sich endlos in die Länge.
Hier, im Osten Kubas, trat der Gebirgscharakter der Insel am deutlichsten hervor. Es gab nur drei gebirgige Stellen, aber dort, wo sich die Sierra Maestra erhob, wuchtete auch der höchste Berg der Insel empor – der Pico Turquino mit einer Höhe von zweitausendzweihundert Yards.
Hasard blinzelte in die grelle Sonne. Die Strahlen tanzten grell über die Sierra Maestra, die zum Meer hin in einer Bruchstufe steil abfiel.
Das Lichterspiel wurde immer bizarrer. Einige der Kettengebirge waren in hellen Sonnenschein gebadet, während andere düster und drohend und fast schwarz in den Himmel ragten. Der Pico Turquino trug eine grell flimmernde Lichthaube. Es sah aus, als würde der Gipfel in heller Glut brennen.
Unterbrochen wurden die parallel zum Meer verlaufenden Gebirgszüge nur hin und wieder durch einen schmalen Streifen Strand, ein paar Palmen oder durch tiefe Einschnitte. Mitunter sah man wie in eine gewaltige Höhle hinein. Dahinter verbargen sich geschützte kleine oder größere Buchten mit gefährlichen Kliffs und Untiefen.
Hasard warf einen Blick achteraus und nickte Shane zu, der mit beiden Händen durch seinen mächtigen grauen Bart strich.
„Dan segelt den Zweidecker hervorragend“, sagte er. „Man könnte glauben, er wäre schon jahrelang mit dem Ding vertraut. Dabei sind sie nur sechzehn Mann.“
„Die Black Queen hätte ihre Freude daran“, erwiderte Shane grinsend. „Jetzt gehört der Eimer uns, und es hat sich ausgequeent.“
Auch er warf einen Blick achteraus zum Zweidecker, der an Backbord leicht versetzt nachsegelte. Drüben hob der Profos Edwin Carberry die Arme und grinste ebenfalls. Auch Dan O’Flynn schickte winkend einen Gruß herüber. Sein Gesicht sah noch ein wenig lädiert aus, als sei er in ein Nadelkissen gefallen. Das war der Rest der Spuren einer weiblichen Hand, deren Krallen ihm durchs Gesicht gefahren waren, als sie zwei Kapitänen halfen, eine Meuterei zu beenden. Eine regelrechte Furie hatte sich dabei auf Dan gestürzt.
Der Zweidecker mit seiner starken Armierung war wirklich eine prächtige Beute. Das Schiff hatte ihnen unter der Black Queen schon oft genug zugesetzt und manchen Ärger bereitet. Das gehörte jetzt der Vergangenheit an. Es sollte auf die Schlangen-Insel gebracht und dort von Hesekiel Ramsgate überholt werden.
Der Pico Turquino sah jetzt von ferne aus, als würde sein Kegel in sattem Rot brennen.
„Wie der Feuerthron der Vulkangötter“, sagte Philip junior, dessen Zwillingsbruder auf dem Zweidecker fuhr. „Bloß dürfte selbst der Vulkangott da einen ziemlichen heißen Hintern kriegen“, schloß er seine lauten Überlegungen ab. „Nähern wir uns jetzt nicht der Reede von Santiago de Cuba?“ fragte er gleich darauf seinen Vater.
„Ganz recht“, sagte Hasard. „Das war über dreißig Jahre lang die Hauptstadt von Kuba. Die Dons haben sie vor genau achtzig Jahren gegründet. In der großen Kathedrale befindet sich auch das Grab von Diego Velázquez, der Kuba für Spanien eroberte.“
„Seitdem haben die Dons ziemlich viel Mist gebaut“, sagte Philip schnoddrig.
„Das kann man wohl sagen“, meinte Big Old Shane und begann leise zu lachen. „Und das wird immer noch schlimmer. Aber das ist uns ja zur Genüge bekannt.“
„Dann ist es nur recht, daß wir ihnen hin und wieder mal was aufs Maul hauen“, meinte Philip selbstbewußt.
Shane wies mit der Hand voraus, wo das Gebirge sich absenkte und zwischen zwei riesigen Hängen gleich der Hafen von Santiago de Cuba auftauchen mußte.
„Wir sollten vorsichtshalber etwas abfallen“, sagte er, „sonst segeln wir den Dons zu dicht über die Reede. Da sie bekanntlich neugierig sind, könnten sie sich für uns interessieren.“
„Dadurch verlieren wir zuviel Höhe“, sagte Hasard, „später müßten wir mühsam aufkreuzen, und das alles kostet Zeit. Bis die uns richtig bemerkt haben, sind wir längst weiter.“
„War nur ein Vorschlag, Sir“, murmelte Shane, „aber durch die Höhle des Löwen zu segeln, ist tatsächlich unauffälliger.“
Eine knappe Viertelstunde später waren zwei Ölmühlen zu erkennen, dann tauchte die Kirche San Francisco auf. Die Hafenkastelle rückten näher heran, und die von Hasard erwähnte Kathedrale mit dem Grab des spanischen Eroberers war ebenfalls zu sehen.
Im Hafen herrschte reger Verkehr. An den Piers wurden Schaluppen entladen, Boote fuhren hin und her, zwei Schaluppen näherten sich gerade der Reede.
Hasard pfiff leise durch die Zähne, als er die Ansammlung sah. Auf der Reede lagen sechs dickbäuchige Frachtgaleonen vor Anker, beladen bis an die Halskrause.
Diese sechs schwerbeladenen Galeonen waren am Vortag aus Spanien eingetroffen und hatten den Auftrag, hier ihre Ladung zu löschen.
Die Ladung bestand aus Kriegsmaterial der spanischen Flotte, das von Santiago de Cuba aus an die verschiedensten Stützpunkte der spanischen Marine verteilt werden sollte, vornehmlich nach Cartagena, wo sich einer der Hauptstützpunkte der Spanier befand.
Das Flottenkommando in Spanien hatte Order gegeben, daß die einzelnen Kriegsschiffseinheiten in der Neuen Welt die für sie bestimmten Ladungen in Santiago de Cuba selbst abholen sollten. Das erleichterte das Verteilungsverfahren beträchtlich, und so waren jetzt bereits Schaluppen und schnelle Boote unterwegs, um die Order an die Stützpunkte weiterzugeben.
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