Davis J. Harbord
Der Kampf der Timucuas
Impressum
© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-740-2
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
12. September 1593, morgens.
Die „Isabella IX.“ stand querab der Westküste von Florida. Zwei Nächte waren vergangen, seit die Seewölfe unter ihrem Kapitän Philip Hasard Killigrew mit mehr Glück als Verstand den Spaniern entwischt waren und die Insel des Schnapphahns Mardengo, Pirates’ Cove, verlassen hatten.
Ein feines Windchen wehte aus Südsüdost und trieb die „Isabella“ in Sichtweite der Küste nordwärts. Die Galeone segelte raumschots über Steuerbordbug, der Sektor voraus, an Backbord und achteraus war leer, nichts zeichnete sich an der Kimm ab. Die Sonne im Osten warf silbrige Reflexe über die See im Golf von Mexiko.
Von Edwin Carberry stammte der Ausdruck „Schmalzsegeln“. Er besagt, daß das Schiffchen wie auf Schmalz läuft, gewissermaßen wie geschmiert. Der Wind hat keine Mucken, er springt nicht um, er legt nicht zu, er schläft nicht ein. Nein, er weht dauerhaft, gleichmäßig und ständig aus ein und derselben Richtung.
Beim „Schmalzsegeln“ brauchen die Mannen die Segelstellung nicht zu korrigieren und zu trimmen, sondern können Däumchen drehen, faul sein, sich die Sonne auf den Pelz brennen lassen, der Ruhe pflegen und dem Müßiggang frönen. Man könnte sogar das Ruder festlaschen und den Rudergänger in die Koje schicken.
Gegenüber der Schinderei bei ruppigem Wind mit hackigen Böen ist „Schmalzsegeln“ also eine feine Sache.
Philip Hasard Killigrew war an diesem Morgen anderer Ansicht, das heißt, unter anderen Umständen hätte er die zur Zeit vorherrschende Schmalzsegelei auch als durchaus angenehm empfunden. Aber dieses Mal fühlte er sich lebhaft an ein Ereignis erinnert, das an die siebzehn Jahre zurücklag. Da war das ähnlich gewesen. Und wie hatte er damals geflucht! Genauso war ihm auch heute nach Fluchen zumute, obwohl die Kerle – wie damals – allesamt dämlich grinsten und sich wie Gockel spreizten.
Da waren also sechs Mädchen an Bord – von der Zahl her kein Vergleich zu den siebzehn Töchtern Afrikas, der „schwarzen Fracht“ einer spanischen Galeone, die sie damals, 1576, geentert hatten. Diese siebzehn schwarzen Ladys sowie über dreißig Neger – Batuti war darunter gewesen – hatten in Spanien auf dem Sklavenmarkt verkauft werden sollen, was durch den Zugriff Hasards und seiner Stammcrew verhindert worden war.
Diese siebzehn schwarzen Gazellen waren damals ein Problem für ihn gewesen, ein Alptraum.
Jetzt waren es nur sechs Ladys – nur! Aber das waren, mit Verlaub, andere Kaliber als die siebzehn schwarzen Ladys, mit denen er und seine Crew seinerzeit konfrontiert worden waren.
In diesem Falle handelte es sich um sechs Spanierinnen, die gemeint hatten, in der Neuen Welt sehr schnell reich werden zu können, nun ja, in einem Gewerbe, das zwar sehr alt ist, aber dennoch als zweifelhaft bezeichnet werden muß. Durch widrige Umstände waren diese sechs Ladys dem Schnapphahn Mardengo in die Hände gefallen, der sie auf die Pirateninsel verschleppt hätte – als Zeitvertreib für seine Spießgesellen.
Immerhin sprach es für die sechs spanischen Ladys, daß sie auf dieser verdammten Insel nicht völlig verludert waren. Das Erscheinen der Seewölfe hatte ihnen die Möglichkeit geboten, die Pirateninsel zu verlassen. Diese Möglichkeit hatten sie mit Freuden wahrgenommen, zum einen, weil ihnen die Seewölfe gefielen, zum anderen, weil sie tatsächlich ein entwürdigendes Leben unter Mardengos Galgenvögeln hatten führen müssen.
Ja, Ilaria, dieses hübsche Weib mit den schwarzen Glutaugen und dem südländischen Temperament, hatte Hasard sogar mutig und tatkräftig zur Seite gestanden, als seine Männer von ihm befreit worden waren.
Daß dieses rassige Weib nunmehr erpicht darauf war, eine andere Festung im Sturm zu nehmen, konnte nicht verheimlicht werden.
Diese Festung hieß Philip Hasard Killigrew.
Damals, vor siebzehn Jahren, hatte eine der siebzehn schwarzhäutigen Gazellen ebenfalls ein liebendes Auge auf Philip Hasard Killigrew geworfen. Nuva war ihr Name gewesen.
Frauen an Bord, nicht wahr! Der Teufel sollte alle Weiber holen!
Und alle Nuvas und Ilarias.
Den neuen sonnigen Morgen auf einem soliden englischen Schiff namens „Isabella“ (auch so ein Weibername, verflucht!) begrüßten die sechs Ladys vorn auf der Back, wo sie schnatternd und kichernd und blickewerfend bereits Stellung bezogen hatten und – um bei Carberrys Vergleich dieser Art von Segelei zu bleiben – von den Arwenacks mit entsprechenden Schmalzblicken bedacht und in Augenschein genommen wurden.
Was Hasard – auf dem Achterdeck – erboste, war die an sich erfreuliche Tatsache, daß alle seine Mannen wie aus dem Ei gepellt aussahen: Verfilzte Haare waren gekämmt, schmutzige Hemden waren nicht zu erkennen, keiner trug gammelige Klamotten, nichts Vermieftes war zu entdecken. Nicht, daß die Arwenacks sonst im letzten Hemd herumliefen und der Auffassung huldigten, Dreck hielte warm. Nein – so durfte man das nicht sehen. Nur fiel dem Kapitän eben auf, daß sie allesamt an diesem schönen Morgen viel, viel knackiger und appetitlicher wirkten als sonst.
Sogar der essigsaure Mac Pellew erweckte den Eindruck, als sei aller Schmerz dieser Welt von ihm abgefallen und die Frische der Jugend habe ihn geküßt.
Er tänzelte aus der Kombüse, wandte sich zur Back um und verkündete den Ladys dort oben, mit Schmalz in der Stimme und in den Augen, daß es nicht mehr lange bis zum Frühstück dauern werde, das er in Anbetracht der holden weiblichen Gäste auf ganz besondere Art zubereitet habe. Er raspelte nicht Süßholz, nein, er hobelte es in dicken Spänen. Dabei zelebrierte er Kratzfüße, dieser ausgemergelte Kerl, und führte sich auf wie einer dieser verdammten italienischen Tanzmeister, die neuerdings in England auftraten, um den Leuten beizubringen, wie man nach Musik herumhüpfen könne.
Hasard knirschte mit den Zähnen, packte wütend die Hände auf den Rücken, drehte sich abrupt um, um nach achtern zu marschieren, aber da tauchte Ben Brighton auf dem Achterdeck auf und wünschte ihm einen guten Morgen.
„Ein schöner Morgen“, knurrte ihn Hasard an und winkte mit dem Kopf ruckartig nach hinten. „Schau’s dir an! Diese Balzhähne! Diese gurrenden Täuberiche! Und alle geschniegelt wie Lackaffen …“ Er unterbrach sich und blickte an Ben vorbei zum Rudergänger. Das war für die Morgenwache Nils Larsen, der breitschultrige, blonde Däne, den die Seewölfe in Rönne auf Bornholm davor bewahrt hatten, mit Gewalt vor den Traualtar geführt zu werden.
Nils Larsen grinste nämlich breit, aber dieses Grinsen verging ihm, weil er bemerkte, daß bei seinem Kapitän die Zeichen auf Sturm standen. Und Hasard fauchte ihn auch sogleich an: „Diese Flittchen sind dir wohl lieber als deine spitznasige Greta Elvström, die dich unter ihre Bettdecke zerren wollte, he?“
Nils Larsen peilte zum Großsegel hoch, das unverändert gut stand, und sagte: „Sir, ich werde dir ewig dankbar sein, daß du mich davor bewahrt hast. Aber bei diesen Ladys von der Pirateninsel bin ich mir nicht ganz so sicher, ob du das noch einmal schaffen würdest, sollte eine von ihnen die gleichen Absichten wie Greta Elvström haben.“
Hasard starrte ihn an. Dann feuerte er die rechte Faust in die linke Handfläche, daß es wie ein Pistolenschuß krachte, fuhr zu Ben herum und blaffte: „Da hast du es! Hast du’s gehört, was dieser Ochse sagte?“
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