Impressum
© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-758-7
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Roy Palmer
Die Schlacht um Gran Cayman
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Letzte Schwaden schwarzen, fetten Rauches trieben, vom Nordostwind bewegt und von den rötlichgrauen Schleiern der Abenddämmerung begleitet, von der Küste Honduras’ landeinwärts. Die Siedlung El Triunfo war ein einziger schwelender Trümmerhaufen. Der Tod hatte gewütet und seine Opfer gefordert. Zwischen den letzten Resten der Hütten, der ehemaligen spanischen Mission und der Kommandantur lagen die Leichen von Engländern und Franzosen.
Der Überfall des spanischen Geschwaders von zwanzig schwer armierten Kriegs-Galeonen war auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen. Zweihundert Siedler waren tot – fast die Hälfte aller Einwohner. Die anderen waren in den Dschungel geflohen, der sich wie eine riesige Barriere hinter El Triunfo erhob.
Einige dieser Männer waren jetzt bei der Black Queen. Tollkühn und verwegen hatte sie die letzten drei Galeonen angegriffen, die zur Bewachung in der Hafenbucht zurückgeblieben waren. Die „Bizarria“ war gesunken, ihre letzten überlebenden Besatzungsmitglieder hatten sich nur noch durch einen Sprung ins Wasser retten können. Die beiden anderen Schiffe – die „Buena Estrella“ und die „Vascongadas“ – befanden sich nach einem erfolgreichen Entermanöver in der Gewalt der Piraten.
Im verblassenden Licht des Tages beobachtete ein Mann vom Ufergestrüpp im Westen der Hafenbucht aus die Vorgänge an Bord der nun wieder vor Anker liegenden Schiffe. Sein Name war Rodrigo Alba Villas, und er war der Kapitän der „Bizarria“ gewesen.
Sein Gesicht, von einer Säbelwunde verunstaltet und zu einer Grimasse des Hasses verzerrt, spiegelte alle Ohnmacht und Schmach wider, die er erlitten hatte. Die Niederlage, der Verlust des Schiffes, das unehrenhafte Von-Bord-Fliehen, das Schreien der Sterbenden auf der „Vascongadas“ und der „Buena Estrella“ – er vermochte kaum noch an sich zu halten. Am liebsten wäre er aus dem Dickicht hervorgebrochen und hätte sich brüllend ins Wasser gestürzt.
Um was zu tun? Um die große schwarze Hure zu töten, die die „Buena Estrella“ gekapert hatte? Lachend hätte sie ihn mit ein paar gut gezielten Musketenschüssen töten lassen, während er das Schiff schwimmend zu erreichen versuchte.
Alba Villas hatte Mühe, seine durchgehenden Nerven unter Kontrolle zu kriegen. Er zwang sich zu nüchternen Überlegungen. Eine hitzige Aktion war mit Selbstmord gleichzusetzen. Wollte er überhaupt etwas erreichen, mußte er darauf warten, daß die Piraten die Boote abfierten und an Land gingen.
Und sie würden übersetzen – noch an diesem Abend. Er konnte sich leicht ausrechnen, daß ihr Erscheinen in El Triunfo kein purer Zufall war. Irgend etwas hatte sie hergeführt – vielleicht eine Ladung, die es abzuholen galt, oder aber ein geplanter Überfall. Warum sie die drei Kriegs-Galeonen angegriffen hatten?
Alba Villas umklammerte eine Mangrovenwurzel, als wolle er sie zerquetschen. Diese Frage brauchte er sich nicht zu stellen. Piraten wie diese, blutrünstige und grausame Galgenstricke, verbissen sich in jede Beute, die ihren Kurs kreuzte. Die gekaperten Schiffe waren allein wegen ihrer Armierung und der an Bord befindlichen Munition ein immenser Schatz.
Nur ganz wenige Überlebende hatte es auf der „Bizarria“, der „Buena Estrella“ und der „Vascongadas“ gegeben. Schwimmend hatten sie sich wie Alba Villas an Land gerettet, doch er wußte, daß er mit ihnen nicht mehr rechnen konnte. In ihrer Panik waren sie in den Dschungel geflohen und somit den Siedlern gefolgt, Abtrünnige, Fahnenflüchtige, Meuterer, denen die Gelegenheit nur recht war, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
Er, Rodrigo Alba Villas, konnte es ihnen nicht einmal übelnehmen. An Bord spanischer Kriegsschiffe war bei weitem nicht alles eitel Wohlgefallen und Sonnenschein. Oft kam es zu Insubordination und Meuterei. Viele Seeleute und auch Seesoldaten beugten sich der Borddisziplin nur aus Angst vor den barbarischen Strafen. Im übrigen waren nicht alle Männer mit der Vergeltungsaktion in El Triunfo einverstanden gewesen. Don Alonso de Lopéz y Marqués hatte das ihm in Cartagena befohlene Exempel, das in Honduras zu statuieren war, strikt vollzogen. Doch einige der Kapitäne hatten gewisse Skrupel empfunden, vor allem, was das Erschießen der Siedler „auf der Flucht“ betraf.
Auch Alba Villas gehörte zu diesen Kapitänen. Jetzt aber überzeugte er sich davon, daß keine Maßnahme brutal genug war, wenn es galt, mit Piratengesindel aufzuräumen. Sein Herz schlug für Spanien, alles in ihm schrie nach Rache.
Möglich sogar, daß die Piraten an Bord der Schiffe Verbündete der Bewohner von El Triunfo waren, die ihnen zu Hilfe geeilt waren. Und die Männer von der Galeone, die Alba Villas so verdächtig bekannt erschien? Sie hatten die „Vascongadas“ vereinnahmt. Ihr Gebrüll, ihr Grölen und Lachen drangen mit dem Wind herüber, und er glaubte, einzelne Stimmen wiederzuerkennen.
Plötzlich durchzuckte ihn die Erkenntnis: Das waren Spanier! Und das Schiff mußte die „Aguila“ sein, jene Kriegs-Galeone, die vor Wochen Cartagena mit dem Auftrag, El Triunfo auszukundschaften, verlassen hatte und spurlos verschwunden war.
Das Geschwader war trotzdem ausgelaufen und hatte den Überfall durchgeführt, doch Don Alonso und seine Kapitäne ahnten, was mit der „Aguila“ geschehen war: Es hatte eine Meuterei an Bord gegeben.
So war es. Die lauteste Stimme von allen gehörte Jaime Cerrana, auch das hörte Alba Villas heraus. Schon immer war dieser Cerrana ein notorischer Querulant und Nörgler gewesen, ein Rebell und Aufwiegler. Kein Kapitän hatte ihn gern in seiner Mannschaft gehabt.
Denkbar war, daß Cerrana die Meuterei auf der „Aguila“ angeführt hatte. Er schien sich jetzt als der Kapitän aufzuspielen. Und er hatte sich mit einer wilden Meute von Piraten verbündet, die ausschließlich aus dunkelhäutigen Kerlen zu bestehen schien.
Das wirst du noch bereuen, Cerrana, dachte Rodrigo Alba Villas. Er fragte sich, was aus dem Kapitän und den Offizieren der „Aguila“ geworden sein mochte. Er konnte es sich denken. Seine Lippen waren zu einem dünnen, blutleeren Strich zusammengepreßt, als er beobachtete, was weiter geschah.
Beiboote wurden von den Piratenseglern abgefiert; Männer enterten an den Jakobsleitern ab und nahmen auf den Duchten Platz. Im Dunkelwerden sah Alba Villas nun auch wieder die Frau. Mit geschmeidigen, katzenhaften Bewegungen enterte sie in die eine Jolle ab, gefolgt von einem riesigen Schwarzen.
Es gab einige Unruhe, als ein dicker Mann in einem Bootsmannsstuhl abgefiert wurde. Er zappelte und jammerte, und die Kerle grölten vor Begeisterung. Die Jolle schwankte unter dem Gewicht des Dicken, legte ab und wurde mit kräftigen Riemenschlägen zum Ufer der Bucht gepullt.
Alba Villas schenkte weder dem Dicken noch dem schnauzbärtigen, wieselartigen Franzosen Beachtung, die zur Bootscrew gehörten. Seine volle Aufmerksamkeit galt der Black Queen. Er ließ sie nicht mehr aus den Augen. Ihr Boot schien fast genau auf sein Versteck zuzuhalten und würde nur wenige Fuß entfernt landen.
Der Spanier griff nach dem Heft des Messers. Nur diese Waffe war ihm geblieben, aber er würde sie zu benutzen verstehen. Mein Empfang gilt dir, schwarze Teufelin, dachte er. Ich töte dich!
Natürlich war der Kanonendonner, der zuletzt von El Triunfo herübergedrungen war, an der Mündung des Rio Leán nicht ungehört geblieben. Hier lag – gut versteckt hinter Mangroven und einem undurchdringlich wirkenden Vorhang aus Spanischem Moos – die „Le Vengeur III.“ vor Anker.
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