Weit voraus an Steuerbord, tauchten erneut winzige Eilande auf. Es waren nur kleine Punkte in der See, einige bergig, andere so flach wie ein Pfannkuchen. Es schien sich um jene kleinen Inseln zu handeln, die der großen Insel Kerkira vorgelagert waren.
„Schon wieder Inseln“, murrte Old O’Flynn, als er die Hand vor die Augen hielt, um sie gegen das gleißende Wasser zu schützen. „Mir langt die andere Insel noch. Ich habe überhaupt von Inseln die Nase voll.“
„Auf jeder sitzen ja auch nicht Hexen oder Dämonen“, meinte Ferris Tucker. „Aber du wirst dich wohl damit abfinden müssen, daß es nun einmal Inseln gibt.“
Der Alte nickte widerwillig und entsann sich nur höchst ungern an sein letztes Erlebnis auf der Insel Kefallinia. Dort hatte er die Bekanntschaft mit der Hexe Morena geschlossen. Angeblich hatte er auf dieser Insel sein früheres Leben gelebt, und so war er ganz versessen darauf gewesen, es zu erforschen.
Er hatte eine üble Pleite erlebt, denn die Hexe Morena hatte ihn mit ihrem Blick „behext“ und wollte ihn ihrem „Satan“ opfern.
Dem beherzten Eingreifen der Arwenacks hatte Old O’Flynn es schließlich zu verdanken, daß der „Satan“ auf ihn verzichten mußte. Jetzt, nachdem die Hexe zu Tode gestürzt war, war das alles schon wieder Vergangenheit, aber Old O’Flynn dachte immer noch mit leisem Schaudern daran.
Er dachte auch daran, daß heute der Dreizehnte war, und bei dem Gedanken wurde ihm wieder mal ganz mulmig zumute, denn mit dem Dreizehnten war das immer so eine Sache.
„Was ist denn mit dir los?“ fragte Ferris. „Du bist der Hexe doch noch mit heiler Haut entwischt. Denkst du immer noch daran?“
„Ich denke daran, daß heute der Dreizehnte ist, und ein solcher Tag bringt erfahrungsgemäß immer Unglück. Für mich dürfte es wohl das beste sein, in die Koje zu verholen und den Tag ganz einfach zu verpennen. Morgen sieht dann alles anders aus.“
„Quatsch, Donegal“, sagte Ferris gemütlich. „Du redest dir so etwas nur ein, und je stärker du es dir einredest, desto größer wird die Möglichkeit, daß etwas passiert, weil du nämlich von dem Gedanken nicht mehr loskommst. Du wirst sehen, daß dieser Tag ganz normal verläuft. Wir segeln in Sichtweite von ein paar Inseln vorbei, dann geht es weiter in das Adriatische Meer. Es sieht nicht mal nach einem Sturm oder einem Wetterumschwung aus.“
„Ich werde das Gefühl trotzdem nicht los.“
Ferris Tucker irrte sich allerdings gewaltig, denn dieser Tag verlief ganz und gar nicht ruhig und normal.
Die See dünte leicht, der Himmel hatte jene schwache Bläue, die den Winter ahnen ließ. Genaugenommen war es auch Winter, jetzt im Dezember des Jahres 1597, aber trotzdem war es immer noch angenehm warm.
Nachdem das Frühstück beendet war, wusch Mac Pellew in der Kombüse das Geschirr, und weil sich in der Pütz Seifenlauge befand, ging er gleich daran, auch die Schapps einer Reinigung zu unterziehen.
Das nahm etwa eine halbe Stunde in Anspruch, dann glänzte in der kleinen Kombüse wieder alles.
Der Kutscher nickte anerkennend, als er vom Achterdeck zurückkehrte.
„Sehr gut, Mac, es blitzt und blinkt geradezu.“
So ein Lob ging Mac Pellew runter wie Öl, und er grinste auch ein bißchen. Ein Uneingeweihter hätte dieses Grinsen allerdings zum Anlaß nehmen können, um Mac sein Beileid auszusprechen, denn er verzog das Gesicht so, als würde gerade ein Sarg mit seinem besten Freund in die Grube gelassen.
Aber der Kutscher wußte schon, daß Mac sich von Herzen freute.
Mac drückte das Kreuz durch, schnappte sich die Pütz und stieg an Deck, um die Brühe außenbords zu befördern.
Dabei wiederholte sich die Prozedur, die die Arwenacks längst kannten, über die aber immer wieder gegrinst wurde. Obwohl Mac genau spürte, woher der Wind wehte, hielt er prüfend den angefeuchteten Daumen hoch und peilte Luv an.
Smoky grinste bis an beide Ohren.
„Habe meine Wette gewonnen, Gary“, sagte er. „Er hat den Daumen hochgehalten. Also her mit dem Goldstück.“
Gary Andrews rückte das Goldstück raus, das sofort in Smokys Hosentasche verschwand.
„Letztes Mal hat er den Daumen nicht hochgehalten“, sagte er.
„Vielleicht hat er es nur vergessen, oder er war schon ein paarmal an Deck. Jedenfalls hast du verloren.“
„Sehe ich auch ein.“
Nach der Windpeilung marschierte Mac nach Lee.
Als er die Pütz anhob, ritt die Dubas gerade eine leichte Dünung ab und holte ein wenig über. Entweder war Mac dösig, oder er hatte nicht damit gerechnet. Jedenfalls entglitt ihm die Pütz und polterte an Deck. Die Seifenlauge, glatt und tückisch, floß über die Planken.
Mac Pellew ähnelte in diesem Augenblick dem Schlagmann einer Galeere und fuchtelte mit den Händen herum, als trommele er.
Er glitt aus, fing sich wieder, rannte immer schneller auf der Stelle und bewegte sich wie ein rasender Dreschflegel.
Die anderen, die nichts von der Seifenlauge wußten, stierten ihn verblüfft an, denn Mac Pellew legte ein Tänzchen auf die Planken, das es in sich hatte.
„Na, so was“, sagte der Profos erstaunt, „so schnell ist er doch sonst nicht. Was soll das denn bedeuten, Frühsport, oder was? Oder ist der heimlich unter die Derwische gegangen?“
Macs Versuche, diesem tückischen Zeug zu entgehen, scheiterten kläglich. Sein Lauf auf der Stelle wurde noch schneller, obwohl er sich keine Handbreite weiter bewegte. Immer wieder griff er verzweifelt nach dem Schanzkleid, um sich festzuhalten, doch das Schanzkleid war für ihn unerreichbar und so weit weg wie der Mond.
Der Profos wollte sich gerade in Bewegung setzen, um Macs seltsame Tanzstunden aus der Nähe zu begutachten, aber da hatte der Ire Mac O’Higgins bereits gemerkt, daß da etwas nicht stimmte, denn das Gesicht von seinem Namensvetter drückte echte Angst und Verzweiflung aus.
Er lief auf Mac zu – und rannte weiter wie ein abgefeuerter Brandsatz. Völlig verdattert begab sich Higgy, wie er an Bord genannt wurde, auf eine teuflische Reise. Er schien auf einer glatten Eisfläche dahinzurasen und fand selbst keinen Halt. Ausgerechnet tauchte auch noch das Heck der Dubas tief in die See, wodurch Higgy zusätzlichen Schwung erhielt.
In der riesigen Seifenlache schlitterte er weiter, streckte abwehrend und entsetzt die Hände aus und landete, den Kopf voran, mit einem dumpfen Knall am achteren Schott. Das Schott war nur angelehnt, aber jetzt knallte es zu, als donnere es jemand mit einem riesigen Hammer zu.
Higgy landete fluchend und halb benommen schließlich auf den Planken.
„Das sind vielleicht zwei Salzmänner“, staunte der Profos, der der Szene kopfschüttelnd zusah. „Ja, sind denn den Kerlen immer noch keine Seebeine gewachsen, was, wie?“
Die Arwenacks konnte man in diesem Moment wirklich nur als Gaffer bezeichnen. Und sie gafften noch mehr, als sich der Profos jetzt doch in Bewegung setzte, denn er begriff nicht, daß man sich in einer Wasserlache so ausgesprochen dämlich anstellte.
Allerdings begriff er es dann doch ziemlich rasch, denn ihm widerfuhr das gleiche Schicksal.
Er hatte seine Riesenstiefel kaum in die Brühe gesetzt, als er urplötzlich das Gefühl hatte, Ballett zu tanzen. So leicht ging das also!
Der Profos zischte ab, mit einem Affenzahn. Er flitzte an dem herumhampelnden Mac vorbei und donnerte auf den zweiten Mac, der sich gerade mühsam erhoben hatte und immerhin schon auf den Knien war.
Die schwere Masse des Profos begrub Higgy, der nur noch einen ächzenden Laut zustande brachte. Dann donnerte er erneut an das Schott, daß es im ganzen Schiff dröhnte.
Da lagen die beiden nun, während sich die anderen die Augen aus den Köpfen stierten.
Drei Mann hatte die Seifenlauge nun geschafft, der vierte war Paddy Rogers, der sich das sowieso nicht erklären konnte. Auch er latschte in die Brühe und landete mit einem dumpfen Laut auf dem Hosenboden.
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