Wilde und gefährliche Kreuzseen entstanden. Die Strömung riß und zerrte an der Galeone, der Sog schob sie rasch nach Südwesten.
Jeder suchte krampfhaft nach einem Halt, um nicht unversehens über Bord zu gehen.
Mittlerweile war es fast dunkel geworden. Immer noch brüllten gewaltige Feuersäulen donnernd ihr vernichtendes Lied.
Noch unheimlicher wurde es, als die Masten zu zittern begannen, der Rumpf ächzte und das Tauwerk mit den Blöcken knarrte. In den Planken knackte es immer wieder.
Im Meer wurde eine Insel geboren, und die Natur gab sich alle Mühe, dieses Ereignis auch entsprechend mit Feuer und Donner zu verkünden.
Die mächtige Magmasäule schickte einen Luftzug nach allen Seiten, der sich aus weiter Ferne wie ein dumpfes Singen anhörte, dann aber zu einem scharfen Pfeifen und Zischen wurde.
In wildem Rhythmus hob und senkte sich die Galeone, oder sie wurde von einer Seite zur anderen geworfen.
Als das brüllende Monstrum eine Höhe von mehr als einer Meile erreicht hatte und immer noch nicht abzusehen war, wann es aufhören würde, so fürchterlich zu wachsen, explodierte die erste Säule in sich selbst.
Sie zerbarst in einem Feuerregen, den ein wild emporschießender glühender Gasball blitzschnell weiter nach oben trieb.
Am Himmel schienen plötzlich Sterne zu funkeln.
„Unter Deck!“ brüllte der Seewolf. „Alle Mann unter Deck!“
Das Ding ähnelte jetzt einem feurigen Kometen, der auf das Meer zuraste und dabei Millionen kleiner Glutbrocken verschleuderte. Der eigentliche Glutkern zerbarst unter Donnergetöse noch einmal und verzierte die Himmelschwärze mit dunklem Rot.
Jetzt fauchte der Segen aus allen Richtungen heran.
Beim Anblick dieser unvermeidlich auf die Galeone auftreffenden Brocken wurde auch den abgebrühten Seewölfen mehr als mulmig zumute. Einen Gegner hätten sie nicht gefürchtet und sich zum Kampf gestellt.
Aber das hier war kein Gegner, es war ein Naturereignis, und dagegen gab es keinen Kampf.
„Das gilt auch für dich Pete!“ brüllte Hasard Pete Ballie zu, der immer noch am Ruder stand.
Jetzt aber, als die ersten Brocken in einer langgezogenen Kurve ins Meer rasten, verschwand auch Pete Ballie vom Achterdeck. Es wäre Wahnsinn gewesen, sich an Deck diesem himmlischen Bombardement auszusetzen. Da war ihnen die trügerische Sicherheit unter den hölzernen Planken doch lieber.
Torkelnd, fallend und stolpernd erreichten sie die unteren Räume. Immer noch wurde die Galeone von einer Seite zur anderen geworfen, auf hohe Wellenkämme getragen oder in tiefe Abgründe geschleudert. Niemand konnte sich mehr richtig auf den Beinen halten.
Hasard hatte das Gefühl, als sei das Schiff in einen riesigen Sog geraten, der es ständig um seine Achse wirbelte und auf Tiefe zu ziehen versuchte.
Die „Santa Barbara“ trieb steuerlos in einer kochenden, brüllenden und aufgewühlten See, die sich durch die pausenlosen Eruptionen immer stärker aufheizte.
Kaum unten angelangt, erschütterte auch schon ein harter Schlag die Galeone. Holz krachte und knirschte, grelles Zischen war zu hören, dann ein Knistern, das von weiteren Donnerschlägen überlagert wurde.
„Treffer“, sagte Dan mit zusammengepreßten Lippen. Er duckte sich unwillkürlich, als gleich mehrere Schläge das Schiff erschütterten.
Der Profos wollte an Deck, um nachzusehen, was die Donnerschläge bewirkt hatten. Hasard hielt ihn zurück.
„Ich sehe selbst nach. Bleibt hier.“
„Es ist Wahnsinn, jetzt an Deck zu gehen, Sir“, rief Smoky ihm nach.
Das Schott flog krachend zu. Ein einziger schneller Blick genügte jedoch, um zu erkennen, daß es an Deck hell war. Irgendwo war auch dichter Qualm zu sehen.
Gleich darauf erklang Hasards Stimme. Er mußte laut brüllen, um durch das Donnern verstanden zu werden.
„Feuer an Bord!“
Diese Hiobsbotschaft riß augenblicklich alle hoch. Der Profos drückte es wieder mal drastisch aus.
„’raus mit euch! Jetzt sind wir sowieso im Arsch. Entweder verbrennen wir, oder wir werden an Deck erschlagen. Vielleicht haben wir aber noch eine Chance.“
Die ganze Meute drängte nach, als der Profos das Schott öffnete und an Deck sprang.
Zuerst blieben sie einen Lidschlag lang wie erstarrt stehen. Fast alles hatte sich in der kurzen Zeit verändert.
Der Himmel war dunkel, als sei Nacht. Nur die gewaltige rote Säule stand lodernd und immer wieder explodierend mitten in der See und schleuderte Brocken hoch. Diese Brocken pfiffen ihnen mit einem häßlichen Heulen um die Ohren, und wer von ihnen getroffen wurde, der war so gut wie erledigt, denn sie zischten mit unheimlicher Geschwindigkeit und zerstörerischer Wucht heran.
Die „Santa Barbara“ tanzte und schlingerte immer noch steuerlos in dieser Hölle – und sie brannte an einigen Stellen, wo das flüssige Gestein sie getroffen hatte.
In der Takelage qualmte es. Auf dem Achterdeck flackerte es auf den Planken, und von der Nagelbank am Fockmast loderten ebenfalls kleine Flammen, die nach dem Segel leckten.
Den einen aufflackernden Brand löschte die See, als ein Brecher über das Vorschiff tobte.
Ferris Tucker, Batuti, der Profos und Gary Andrews schnappten sich die Pützen und gingen fast über Bord, als sie Wasser schöpften. Immer wieder wurden ihnen die Beine weggerissen.
Hasard, Dan, Don Juan und Shane waren nach achtern gestürmt und schlugen die Flammen mit allem aus, was sie in die Hände kriegten.
Ein rotglühender Brocken raste auf das Achterschiff zu. Er streifte den Besanmast und zerplatzte in kleine Funken, die über die gesamte Galeone regneten.
Da brüllte Bill los, da fluchte Mac Pellew, und da stieß der bärtige Shane einen erschrockenen Schrei aus, als es in seinem grauen Bart zu knistern begann.
Tausende glühender und messerscharfer Nadeln stachen ihnen in Gesichter, Beine und Arme. Sie bohrten sich wie Feuerameisen in die Haut und hinterließen kleine Brandflecken, die bestialisch schmerzten.
Sie befanden sich mitten im Inferno, und es schien, als hätten sich alle Elemente gegen sie verschworen. Die Luft war zum Atmen zu heiß. Außerdem trug sie schwarzbraune heiße Asche heran, die sich in Augen, Ohren, Nase und Mund festsetzte. Dazwischen brüllte das Meer wie eine Horde hungriger Teufel, und zu allem Überfluß flogen immer noch glühende Brocken heran.
Es wurde ein Kampf auf Leben und Tod in einer Hölle, die nur noch aus kochenden Urgewalten bestand.
Etwas später sahen sie selbst wie wilde rußgeschwärzte Teufel aus. Hemden und Hosen waren versengt. Der Schweiß lief ihnen in Strömen über die Gesichter. Selbst das Wasser, das sich donnernd und brausend über sie ergoß, war keine Erfrischung. Es war mitunter so heiß, daß sie sich wie unter einem Hieb krümmten.
Es war kaum noch etwas zu sehen, außer dem glühenden Licht weit in der See und den immer noch aufflackernden Flammen, die wie aus dem Nichts auf den Planken entstanden.
Hasard hatte winzige Brandwunden im Gesicht. Der Profos war von einem glühenden Brocken am Arm gestreift worden und blutete. Es gab kaum noch einen, der keine Blessuren hatte. Aber bisher war noch keiner ernsthaft getroffen worden oder ausgefallen.
Für die Behandlung der Blessuren war jetzt ebenfalls keine Zeit. Das Wichtigste war, das Feuer zu bekämpfen. Brach ein nicht zu löschender Brand aus, dann waren sie hoffnungslos verloren. Es gab dann keine Rettung mehr in dem flammenden Inferno. Niemand hätte es geschafft, schwimmend die Küste zu erreichen, von der man noch nicht einmal mehr wußte, wo sie sich befand.
Zwei Segel waren aus dem Liek gerissen und wurden geborgen. Besan- und Großmarssegel waren von unzähligen schwarzen Punkten durchlöchert, durch die der heiße Wind pfiff.
Alles Tuch wurde unter lautem Gebrüll weggenommen. Sie brüllten alle und schlugen immer wieder mit den Händen nach den roten Feuersternen, die sich in ihre Haut brannten.
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