David J. Harbord
Die Goldmine von Vera Cruz
Impressum
© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-750-1
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
23. September 1593, Punta Roca Partida bei Vera Cruz.
Am Mittag dieses Tages begann für Don Julio Costa Cordes der Ärger. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben würden, konnte Don Julio zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Bei Punta Roca Partida am Golf von Campeche an der Ostküste Mexikos hatten die Spanier vor zwei Jahren eine Goldmine in Betrieb genommen, aus der sie recht beträchtliche Mengen des begehrten Metalls abbauten.
Wie überall in der Neuen Welt wurden in dieser Mine nicht etwa eigene Arbeitskräfte aus dem Heimatland eingesetzt, sondern man bediente sich der billigen Sklaven, die man zwangsrekrutiert hatte. In der Goldmine von Punta Roca Partida schufteten an die achtzig schwarze und an die hundert Indianersklaven.
Diese unfreiwilligen Minenarbeiter wurden von drei Dutzend spanischen Soldaten bewacht und beaufsichtigt, die wiederum dem Befehl des Lagerkommandanten – Don Julio Costa Cordes – unterstanden.
Dieser Don Julio war ein harter, nüchtern denkender Mann, der seine Pflicht tat und sich in jeder Weise korrekt verhielt. Man konnte ihn als die berühmte Ausnahme von der Regel bezeichnen. Er war nicht korrupt, zweigte von dem Gold nichts für sich ab, sah in dieser Beziehung auch seinen Soldaten scharf auf die Finger, duldete keine Mißhandlungen der farbigen Minenarbeiter und sorgte dafür, daß sie gut und reichlich verpflegt wurden.
Das abgebaute Edelmetall wurde in einer eigens für diesen Zweck eingerichteten Gießerei bei der Mine in Barren gegossen, mit dem Prägestempel der Casa de Contratación versehen und bis zum Abtransport sicher verwahrt. In der Regel wurden die Goldbarren nach Havanna verschifft und von dort mit dem nächsten Konvoi nach Spanien gebracht.
Zur Zeit ging es ein bißchen hektisch in und bei der Mine zu, weil von Havanna Nachricht eingetroffen war, daß man noch vor Ende September eine Frachtgaleone schicken werde, um eine Ladung Goldbarren zu übernehmen. Und der Vertreter der „Casa“ in Havanna hatte bei dieser Nachricht durchblicken lassen, daß man in Spanien auf weitere Lieferungen dränge, was, durch die Blume gesprochen, für Don Julio bedeutete, er möge gefälligst mit dem Goldabbau ’ranklotzen und zusehen, soviel wie möglich aus der Mine herauszuholen.
Tatsächlich wurde dem Lagerkommandanten gegen Mittag des 23. September eine von Westen heransegelnde Galeone gemeldet, und Don Julio Costa Cordes meinte, es könnte sich bei dem gemeldeten Schiff um die angekündigte Frachtgaleone aus Havanna handeln, obwohl es üblich war, daß solche Galeonen unter Geleitschutz fuhren.
Eine halbe Stunde später wurde die Meldung dahin berichtigt, daß es sich bei dem Schiff um eine spanische Kriegsgaleone handele, die von dem Ausguck als „mächtig gerupft“ beschrieben wurde.
Don Julio stieg daraufhin selbst auf das Plateau, von dem aus man eine hervorragende Sicht über den Golf von Campeche hatte. Durch ein Spektiv betrachtete er die Galeone und mußte dem Ausguck recht geben. Wie es schien, war sie offenbar in den Hurrikan geraten, der vor ein paar Tagen quer über den Golf von Mexiko westwärts getobt war.
Bildlich gesprochen hinkte die Kriegsgaleone in die Bucht von Punta Roca Partida und schlich sich an die steinerne Pier des nicht sehr großen Hafens. Dort wurde sie vertäut.
Don Julio eilte zum Hafen hinunter. Aus der Nähe sah die Galeone – sie hieß „Santa Rosa“ – noch übler aus: zerschmetterte Schanzkleider, zersplitterte Rahen, demolierte Niedergänge, gebrochenes Tauwerk! Da hatte der Hurrikan ganz schön zugeschlagen.
Eine Behelfsstelling wurde an Land gewuchtet. Vom Achterdeck kletterte ein Mann hinunter, überquerte die Kuhl, wo man respektvoll zur Seite trat, und ging über die Stelling an Land.
Auf Don Julio wirkte dieser Mann ziemlich herrisch. Wohl der Kommandant, dachte Don Julio. Und so war es auch.
Harte Augen in einem Schnauzbartgesicht starrten ihn durchbohrend an. Eine befehlsgewohnte Stimme schnarrte: „Sind Sie der Kommandant hier?“
Don Julio nickte und stellte sich vor. Seinerseits erfuhr er, daß er es mit Don Francisco de Albrandes, Kapitän der „Santa Rosa“, zu tun habe. „Bin auf der Fahrt von Havanna nach Santa Cruz unterwegs“, erklärte der Kapitän von oben herab, zwirbelte seinen Schnauzbart und fuhr fort: „Segele mit Sondervollmachten der Admiralität und der ‚Casa‘, die besagen, daß man mir seitens der spanischen Stützpunkte jede von mir geforderte Hilfe zu leisten hat. Verstanden?“
„Um was handelt es sich?“ fragte Don Julio kühl. „Das hier ist eine Mine, die im Auftrag der spanischen Krone arbeitet, aber für Schiffsreparaturen sind wir nicht eingerichtet, Señor Capitán Sie haben Sturmschäden, nicht wahr?“
„Unwichtig“, sagte Don Francisco schroff. „Die gröbsten Schäden haben wir bereits mit Bordmitteln behoben, und wir werden es auch bis Vera Cruz schaffen. Aber ich habe eine Menge Leute verloren, die ersetzt werden müssen.“ Er blickte sich um. „Wie ich sehe, sind hier Soldaten von uns stationiert. Von denen werden Sie mir zwanzig Mann zur Verfügung stellen. Wenn wir Vera Cruz erreicht haben, können die zwanzig Mann wieder zu Ihnen zurückgeschickt werden.“
„Zwanzig Mann?“ fragte Don Julio entsetzt. „Ich habe hier für die Bewachung von einhundertachtzig farbigen Minenarbeitern insgesamt sechsunddreißig Soldaten, Señor Capitán. Wenn Sie mir zwanzig Mann wegnehmen, bleiben ganze sechzehn für die Bewachung übrig! Das ist zu wenig – die bisherigen sechsunddreißig sind schon zu wenig. Hinzu kommt, daß wir nach einer kürzlich hier eingetroffenen Order der ‚Casa‘ aus Havanna mit Hochdruck arbeiten müssen, um das geforderte Soll zu erfüllen. Denn in diesen Tagen soll die Ausbeute abgeholt werden …“
„Was meinen Sie wohl, wie wenig mich das interessiert“, unterbrach ihn der Capitán gelangweilt.
„Sie vielleicht“, sagte Don Julio erbittert, „aber nicht die ‚Casa‘ und nicht die spanische Krone, die mich hier als Kommandanten eingesetzt haben und erwarten, daß ich meine Pflicht tue und das geforderte Soll erfülle. Ich kann keine zwanzig Soldaten entbehren – ich kann nicht einen entbehren! Sollte ein Aufstand in der Mine ausbrechen, wären wir rettungslos geliefert. Hier wird Gold abgebaut, Capitán! Kein Sand oder Kies!“
„Ah! Wie schön für Sie, mein Lieber“, sagte der Capitán höhnisch.
„Wie darf ich das verstehen?“
Der Capitán klopfte Don Julio auf die Schulter. „Warum so erregt, Señor Commandante? Ich wünschte mir auch so ein feines Pöstchen an Land, könnte die Goldbarren zählen und vielleicht mal einen übersehen, der dann nicht die weite Reise nach Spanien antritt, nicht wahr?“
Don Julio wurde fast weiß vor Wut. Immerhin war er ein Mann von Ehre, der die spanische Krone und die „Casa“ noch nie auch nur um ein Krümelchen Goldstaub betrogen hatte. Und jetzt wagte dieser schnauzbärtige, arrogante Capitán, darauf anzuspielen, daß er Goldbarren unterschlage!
Aber er zahlte die versteckte Beleidigung zurück. Er sagte: „Ihre Auffassung über die Tätigkeit des Kommandanten einer Goldmine scheint Ihrem eigenen Wunsch zu entsprechen, sich privat bereichern und die Krone betrügen zu wollen. Meiner Auffassung entspricht sie jedenfalls nicht. Daß ein spanischer Seeoffizier und Kommandant einer Galeone Seiner Majestät sie äußert, wirft kein sehr gutes Licht auf Ihr Offizierscorps, Señor Capitán!“
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