Impressum
© 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-413-5
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Außer den Tagen, an denen buchstäblich alles schiefgeht – schwarze Tage –, gibt es auch Tage, an denen der Morgen von Mißerfolgen gezeichnet ist, während sich zum Abend hin dann alles zum Guten wendet – oder umgekehrt.
Genau diese letzte Entwicklung bahnte sich an einem sonnigen, nahezu wolkenlosen Sommertag des Jahres 1583 auf der „Isabella VIII.“ und dem schwarzen Segler an. Das heißt: Anfangs herrschte an Bord beider Schiffe hervorragende Stimmung, doch später, am frühen Nachmittag, stellte sich der Verdruß in massiver Form ein.
Grund zu Unbeschwertheit und Ausgelassenheit bestand zur Genüge. Das Abenteuer auf der Insel vor Bahia hätte Hasard und seine Männer den Kopf kosten können, aber dann hatten sie das Unheil abwenden und die spanischen Meuterer unter Pedro Salvez besiegen können. Gleichzeitig hatte der Seewolf den portugiesischen Siedlern zur Freiheit verholfen – sie hatten auf der Insel ein neues Leben begonnen.
Bill sehnte sich immer noch ein bißchen nach dem Mädchen Magdalena, aber „das wird sich schon legen“, versicherte Ed Carberry ihm immer wieder mit väterlichem Schulterklopfen.
Sogar nach dem Verlassen der Inselbucht hatte der Seewolf den Portugiesen noch einmal seinen Beistand geleistet. Er hatte eins der Kriegsschiffe, die nach den Siedlern forschten, von der Insel fortgelockt – und dann war er endlich wieder mit Siri-Tong und ihrem „Eiliger Drache über den Wassern“ zusammengetroffen. Der Sturm, von dem Hasard mit der „Isabella“ in die Bucht der Insel vor Bahia getrieben worden war, hatte vorher beide Schiffe getrennt.
Angesichts einer solchen Übermacht hatte der spanische Verfolger schleunigst das Weite gesucht. Obwohl er Hasard als den gefürchteten „El Lobo del Mar“ identifiziert haben mußte, hatte er sofort eingesehen, daß er in einem Gefecht gegen zwei außergewöhnliche, gut armierte Schiffe wie diese auf jeden Fall den kürzeren gezogen hätte.
Der Vorfall lag bereits vier Tage zurück, aber immer noch lachten die Männer der „Isabella“ und der Roten Korsarin über die dummen Gesichter, die die Spanier auf dem Kriegsschiff gehabt haben mußten, als sie den schwarzen Segler plötzlich wie einen finsteren Boten der Hölle auftauchen sahen.
Und gelegentlich wurde auch noch über Carberry geunkt, der sich nur schwer an Neuerungen im Küchenzettel der „Isabella“ gewöhnen konnte. Der Kutscher hatte den Tapir, den sie auf der Insel erlegt hatten, zubereitet. Der Profos hatte mit argwöhnischer Miene davon gekostet und dann befunden: „Schmeckt wie Schweinefleisch.“
„Ist aber nicht Schwein“, wandte Batuti ein.
„Weiß ich doch“, brauste Carberry auf. „Wer hat dir denn als erster gesagt, daß der Tapir kein Schwein ist, was, wie?“
Wortwechsel dieser Art gaben immer wieder Anlaß zu Heiterkeitsausbrüchen auf der „Isabella“. Und die gute Laune hatte auf Siri-Tongs Mannschaft übergegriffen. An Bord des Viermasters sorgten Männer wie Cookie, Missjöh Buveur und Muddi dafür, daß der Stoff für immer neue Witze und Streiche nicht ausging.
An diesem Mittag segelten die „Isabella“ und das schwarze Schiff bei Wind aus Nord-Nord-West mit südlichem Kurs – also mit Steuerbordhalsen auf Backbordbug liegend – im Abstand von etwa dreißig Meilen an der Küste der Neuen Welt entlang. Bahia lag über vierhundert Meilen hinter ihnen, und wenn der Wind weiter so anhielt, würden sie bald den südlichen Wendekreis erreicht haben.
Aber dann änderte sich das Bild des Friedens und der Eintracht.
Der Wind sprang im Osten um, plötzlich und ganz unerwartet. Kurz darauf drohte er völlig einzuschlafen, und eine brütende Hitze senkte sich auf die Schiffe.
Genau dies war der Augenblick, in dem Cookie, der Koch des schwarzen Seglers, mit einem bis zum Rand gefüllten Abfallkübel an das Schanzkleid der Kuhl trat. Er setzte den Kübel ab und schaute sich um. Er stand an der Backbordseite, blickte nach achtern zur Roten Korsarin und zu Thorfin Njal, dem Boston-Mann, Arne, Eike und den anderen auf dem Achterdeck. In ihren Mienen las er Besorgnis.
Cookie, der eigentlich Rod Bennet hieß, verzog bekümmert das Gesicht. Mit der guten Laune schien es aus zu sein. Er wandte den Kopf schob die Unterlippe ein wenig vor und spähte zur „Isabella“ hinüber, die in schräg versetzter Kiellinie vor dem schwarzen Schiff lief.
Nein, sie segelte nicht mehr richtig, sie dümpelte nur noch mit hängendem Rigg in der lauen Trostlosigkeit. Es war ein trauriger Anblick. Cookie legte den Kopf in den Nacken, sah die schlaffen schwarzen Segel des eigenen Schiffs und schaute noch betrübter drein.
Kein Windhauch, der die Schwüle aufwühlte und vertrieb, und im Osten färbte sich der Himmel indigoblau.
Der dicke Koch fuhr sich mit der Hand über die öligen Haare. Links hatte er keine mehr auf dem Schädel, darum borgte er sie sich immer von rechts und pappte sie ordentlich mit Fett fest.
Es war eine Geste des Unbehagens, denn Cookie witterte Unrat – nicht den, der da im Holzkübel vor sich hin müffelte, sondern den, der von der offenen See her aufzog. Man entwikkelte einen Instinkt für so was. Außerdem hatten beide Schiffsbesatzungen in letzter Zeit zu viele Stürme erlebt und durchgestanden. Cookie traute dem Braten nicht, was ja auch gewissermaßen zu seinem Metier gehörte und wozu er allen Grund hatte, da er nach übereinstimmender Aussage der Kameraden einen wahrhaft „abscheulichen Fraß“ bereitete.
Cookie hob den Kübel wieder an, peilte noch mal mißtrauisch nach Osten und schickte sich dann an, den Abfall übers Schanzkleid weg in die See zu entleeren.
„He“, sagte jemand hinter ihm. „Willst du das Zeug wohl nach Lee kippen!“
Cookie drehte sich langsam um und musterte den Sprecher. Es war Bill the Deadhead.
„Kannst du bei der Flaute noch Luv und Lee unterscheiden?“ fragte Cookie lauernd. „Ist doch egal, wohin ich den Kram schütte. Kümmre dich um deinen eigenen Dreck, ja?“
Sprach’s und kippte den Kübel nach außenbords.
Flanagan, einer der von Siri-Tong auf Tobago neu angeheuerten Männer, hatte das Pech, nicht weit entfernt am Backbordschanzkleid zu lehnen, und zwar schätzungsweise vier, fünf Schritte vor Cookie in der Nähe des Niedergangs zum Vorderkastell. Auch seine Miene war alles andere als begeistert wegen der plötzlichen Flaute. Aber innerhalb der nächsten Sekunden verzerrte sie sich zu einer haßerfüllten Fratze.
Flanagan war ein leicht reizbarer Typ, der überall Feindseligkeiten witterte.
Als Cookie den Kübel auskippte, erwachte jählings eine heftige Böe zum Leben und fegte von Nordosten auf die Schiffe zu. Eine böswillige Macht im Dunkeln schien ausgerechnet auf diesen Moment gewartet zu haben – die Bö griff nach den in die Tiefe plumpsenden Küchenabfällen, wirbelte sie hoch und an der Bordwand des schwarzen Seglers entlang.
Flanagan kriegte eine Ladung davon ins Gesicht, bevor der Unrat endgültig als Fischfutter in den Fluten verschwand.
Flanagan wischte sich mit der Hand übers Gesicht und stieß einen schauderhaften Fluch aus. Ganz langsam wandte er sich zu Cookie um. Der hielt noch den leeren Kübel und blickte ratlos und verdattert drein.
„Du Sau!“ zischte Flanagan. „Das hast du absichtlich getan.“
Cookies Zunge fuhr hastig über die Lippen und verschwand wieder. Er suchte nach Worten. Das belastete ihn noch mehr.
„Du gibst es also zu“, sagte Flanagan. Er löste sich vom Schanzkleid, trat hinter einer der Kanonen hervor und schob sich auf den Koch zu. „Du vergiftest uns mit deinem Fraß, du Kombüsenratte, und in der Suppe, die aus Spülwasser besteht, schwimmen Kakerlaken. Aber damit nicht genug. Jetzt schmeißt du uns auch noch Dreck ins Gesicht.“
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