Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-985-7
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Fred McMason
Als die Seuche ausbricht, ist in Venedig die Hölle los
Endlose Schlangen von Pilgern, die ins Heilige Land wollten, begaben sich auf die beiden Galeeren. Die Menschenmassen quirlten und brodelten wild durcheinander. Lautes Stimmengewirr erfüllte den Hafen von Venedig. Stadtgardisten durchsuchten die Pilger nach Waffen, als sie an Bord gingen. Die Pilger durften keine Waffen haben, damit es später zwischen Christen und Sarazenen im Heiligen Land nicht zu Streitigkeiten kam. Im Unterdeck der Galeeren wurden sie noch einmal von Feldschern in Empfang genommen, die sich jeden Pilger genau ansahen .
Einer der Ärzte griff nach einem Mann, der ein braunes, sackartiges Gewand trug. Sein Gesicht hatte er unter einer Kapuze verborgen. Nur die Augen und der Nasenrücken waren zu sehen. Er wollte sich an den Feldschern vorbeimogeln und strebte einen Platz im Unterdeck an, wo sich zahllose andere bereits hingekauert hatten .
Der Feldscher riß ihm mit einem Ruck die Kapuze herunter. Er schluckte hart, als er das Gesicht des Mannes sah. Das Gesicht war bläulich verfärbt, fast düsterblau. Kein Zweifel, der Mann hatte offenbar die Pest …
Die Hauptpersonen des Romans:
Luigi Batiste– auf einer Pilgerfahrt ins Heilige Land hofft er, von einer unbekannten Krankheit geheilt zu werden.
Luke Morgan– kauft zusammen mit Stenmarkund Matt Davieskostbare Edelsteine weit unter dem Preis, was ihn nachträglich aber in Wut versetzt.
Old Donegal– gerät auf eine Lagunen-Insel, auf der er „Knochenmännern“ begegnet.
Philip Hasard Killigrew– wird mit einer äußerst ungewöhnlichen Situation konfrontiert, die viel Diplomatie verlangt.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Zweimal im Jahr segelten die beiden größten Galeeren Venedigs ins Heilige Land nach Jaffa, dem antiken Japu, der viel umkämpften Pilgerstadt und dem Hauptlandeplatz der Kreuzfahrer.
Für die Pilger gab es besondere Vorschriften, die jedoch nicht immer eingehalten wurden.
Vor dem Antritt der Reise ins Heilige Land hatte jeder Pilger sein Testament zu verfassen. Ferner mußte er einen Beutel mit etwa zweihundert Dukaten mitführen. Die Dukaten sollten nach Möglichkeit frisch geprägt sein, denn die Sarazenen akzeptierten nur höchst ungern abgegriffene Münzen.
Weiter wurden zahlreiche Kleidungsstücke empfohlen, „um Läuse, Flöhe und andere Unreinlichkeiten zu vermeiden“.
Eine weitere Empfehlung bestand darin, daß die Pilger ihre Reise über das Meer am besten von Venedig aus antreten sollten, denn von dort war die Reise bequemer und leichter zu organisieren als in jedem anderen Hafen der Welt.
Die Galeerenkapitäne waren auch zugleich Eigner der Schiffe und holten bei den Pilgerfahrten einen guten Schnitt heraus.
Der Festpreis für die Hin- und Rückreise nach Jaffa betrug fünfzig Dukaten. Einbegriffen war darin der Eselsritt von der Hafenstadt Jaffa nach Jerusalem, ebenso die zahlreichen Zölle und Tribute, die die Christen an die Sarazenen abführen mußten.
Im Durchschnitt dauerte die Reise vier bis sechs Wochen – und sie war nicht ungefährlich, denn Krankheiten, „Seeübelkeit“, Schiffbruch, oder Überfälle von Türken und Piraten waren durchaus an der Tagesordnung und stellten eine ständige Bedrohung dar.
Jetzt, im Januar 1598, drängten sich noch weitere Pilger um die Fahnen der Agenten. Sie standen auf der Piazetta San Marco und brüllten sich die Kehlen heiser, um eine Passage zu kaufen.
Händler versorgten die Pilger mit Gebäck, Wein, altbackenem Brot und lombardischem Käse, damit sie unterwegs den Schiffsproviant auf den Galeeren aufbessern konnten.
Auch an dem Kai herrschte ein unglaubliches Gedränge. Dort hatten die Pilger, die bereits eine Passage gekauft hatten, ihr persönliches Gepäck abgegeben, das jetzt in Gondeln verstaut wurde.
Es herrschte ein heilloses Durcheinander, und es sah nicht so aus, als würde das Gepäck in den Gondeln jemals wieder zu seinem Besitzer gelangen. Ein paar Kerle versuchten auch, sich unbemerkt auf die Galeeren einzuschleichen, doch sie wurden entdeckt, und dann hagelte es Fausthiebe und Tritte.
Luigi Batiste, ein kleiner Genuese, der seit ein paar Jahren in Venedig lebte, hatte ebenfalls eine Passage erworben und alle Bedingungen erfüllt, die man vorausgesetzt hatte. Er hatte fast zweihundert Dukaten, Reserveproviant und Kleidungsstücke bei sich. Und auch die fünfzig Dukaten für die Passage ins Heilige Land hatte er bereits bezahlt.
Luigi war zwar ein frommer Mann, doch das viele Geld hätte er allein nie zusammengekriegt, und so hatte er hier und da ein bißchen geklaut.
Das Klauen sah er in seinem Fall als guten Zweck an, denn er war ein kranker Mann, der an einer rätselhaften Krankheit litt.
Er hatte sämtliche Heiligen angerufen, sogar Judas Thaddäus, den Nothelfer für hoffnungslose Fälle, damit sie ihn von der Krankheit heilten, doch sie alle hatten sich abgewandt – St. Blasius, die heilige Cäcilie, Christopherus, Katharina, Margarete und Santa Barbara, obwohl die für ihn gar nicht zuständig war.
Schließlich hatte er sich einem „ausländischen“ Heiligen anvertraut. Das war San Antonio, der für verlorene Gegenstände zuständig war. Er wurde auch in liebevoller Verzärtelung Santito genannt.
Luigi war durch eine Wahrsagerin auf ihn aufmerksam geworden. Sie hatte ihm für ein Scherflein gesagt, welcher Heiliger ihm für seine ganz speziellen Geschäfte am günstigsten gesinnt sei, eben jener Santito, der bei Spitzbuben, Räubern, Einbrechern und sogar Raubmördern schon mal ein Auge zudrücke und seinen göttlichen Schutz nicht versage.
Allerdings wurde vorausgesetzt, daß man ihn genügend anbetete und ihm Kerzen und andere gute Opfergaben zu Füßen legte.
Luigi war das nur recht, und so hatte er sich mit seinem Heiligen schon recht bald angefreundet, denn der hatte einen ganz besonderen Vorteil. Er hielt sich vorwiegend in Mexiko auf, und so hatten die Opfergaben mehr symbolischen Charakter, denn Luigi konnte ja nicht wegen jeder Kerze nach Mexiko reisen. Er wußte auch gar nicht, wo das überhaupt lag.
Seine Kerzen spendete er dann zu Hause, und nach jedem Opfer war er sicher, daß er den geplanten Raubzug begehen konnte, selbst wenn drei Polizisten oder Gardisten in der Nähe herumstanden.
Anfangs brach er in die Palazzi reicher Bürger ein, doch viele von ihnen hielten scharfe Hunde, und gegen die richtete selbst Santito nichts aus, denn die Köter bissen schneller zu, als der Heilige seine Hand dazwischenschieben konnte.
Dann verlegte er sich auf Taschendiebstahl, und da paßte sein Heiliger scharf auf und war ständig um ihn herum. Luigi wurde nur zweimal erwischt – ein beachtlicher Umstand bei etwas mehr als tausend Diebstählen.
Nachdem er schon einen Beutel Dukaten zusammengeklaut hatte, ging er wieder zu der Wahrsagerin. Er fühlte sich schlapp und müde, ausgemergelt und krank, und jeder Dottore hatte nur mit den Schultern gezuckt, ihm drei Dukaten abgeknöpft und ihm dann eine Mixtur verschrieben, die gar nichts bewirkte, außer, daß sie einen Dukaten kostete und es dem Quacksalber immer besser ging und ihm, Luigi, immer schlechter.
„Dir hilft nur noch eine Pilgerfahrt ins Heilige Land, Luigi, sonst hilft dir gar nichts mehr. Wenn du aber erst in Jerusalem bist, wirst du sofort geheilt, das ist ganz sicher, so sicher, wie ich für meine Voraussage drei Dukaten erhalte.“
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