„Verstehe“, sagte Ribas. Er fuhr blitzschnell herum und schnappte sich einen Kerl, der an ihnen vorbeirannte. Ein Faustschlag beförderte den Flüchtenden brutal in den Sand.
„Sehr gut“, lobte der Korse grimmig. „Wenn einer trotzdem nicht pariert, dann knallt ihn einfach ab. Ich dulde nicht, daß hier eine Panik ausbricht und jeder verrückt spielt. Dazu steht für uns zuviel auf dem Spiel.“
Ribas grinste dünn, als er della Rocca ansah. Dann warf er einen schnellen Blick zu dem Feuer. Es hatte sich verändert. Das Brausen war hohler und lauter geworden, der Qualm, der es begleitete, stieg in einer riesigen dunklen Wolke zum mitternächtlichen Himmel. Es war so hell wie am Tag, allerdings eine gespenstische Helligkeit, die alles unheimlich und blutrot erleuchtete. Im Widerschein der Flammen wurden die erschreckten Gesichter zu verzerrten Fratzen und unmenschlich wirkenden Grimassen voller Angst und Grauen.
„Wie wollen wir es aufhalten?“ fragte Ribas.
Der Korse deutete mit der linken Hand zu einem langgestreckten Dünenkamm.
„Noch vor der Düne. Die Hütten liegen so an der Bucht, daß sie auf ihrer Ostseite von der Düne abgeschirmt sind. Vorläufig kann also gar nichts passieren, wenn wir ruhig bleiben.“
„Und die Funken?“ fragte Moleta, „die fliegen gleich bis zum Wasser hinunter, und dann verbrennen die Schiffe oder fangen Feuer.“
Der Korse war jedoch nicht aus der Ruhe zu bringen. Er war zwar wütend und erbost über das Feuer, ärgerte sich aber noch mehr über seine Kerle, die immer noch brüllend durcheinanderrannten und nicht wußten, was sie tun sollten.
„Wir kriegen das schon in den Griff“, murmelte er. „Wir werden in Höhe der Dünen alles ausreißen, was brennbar ist. Gleichzeitig errichten wir einen Wall aus Sand. Aber dazu muß jeder mitanpacken. Sorgt dafür, daß die Kerle Arbeit kriegen und scheucht die verrückt gewordenen Weiber in die Hütten oder laßt sie mitarbeiten.“
Er selbst zog wieder seine Peitsche aus dem Gürtel, um selbst mit harter Hand durchzugreifen.
Nur ein paar Minuten später war erneut die Hölle los. Della Rocca und seine beiden Vollstrecker hieben wild auf alles ein, was unschlüssig herumstand oder Anzeichen von Panik zeigte.
„Hinauf auf die Düne, ihr Höllenhunde!“ brüllte der Korse peitschenschwingend. „Holt euch Schaufeln oder buddelt mit den Händen! Reißt alles Zeug aus, das Feuer fangen kann! Und beeilt euch! Wen ich rumstehen sehe, den hänge ich persönlich an die Rah!“
Einer nach dem anderen fügte sich widerwillig. Die Kerle waren das harte Arbeiten nicht gewohnt. Sie hatten immer nur vom Abstauben oder gelegentlichen Überfällen gelebt. Jetzt mußten sie hart ran und schuften, bis ihnen die Knochen weh taten.
Etliche von ihnen rupften Strandgras oder Wurzelwerk aus und trugen es zum nahen Strand hinunter. Dabei saß ihnen das Feuer buchstäblich im Genick und wurde immer bedrohlicher.
Etliche andere waren damit beschäftigt, auf des Korsen Anweisung hin Sand zu Wällen zusammenzuschaufeln, damit das Feuer nicht überspringen konnte und keine neue Nahrung mehr fand.
Auch die Huren hatten Moleta und Ribas eingespannt. Die Frauen, die sie hier zum Zeitvertreib hatten, waren harte Arbeit ebenfalls nicht gewohnt. Hinzu kam die Angst vor dem immer weiter vorrückenden Feuer, dessen Ausmaße immer bedrohlicher wurden. Aber sie mußten helfen, ob sie wollten oder nicht.
Ein Weib mit langen pechschwarzen Haaren und feurigen Augen, die sich Juanita nannte, weigerte sich jedoch. Mit flammenden Blicken starrte sie den hochgewachsenen Korsen an.
„Ich denke nicht daran, Wurzeln und Gras auszureißen!“ schrie sie wild. „Ich will hier weg und nicht geröstet werden. Ihr werdet das Feuer nie aufhalten!“
„Du bleibst hier und hilfst mit“, sagte della Rocca ruhig. „Und wenn du nicht parierst, ziehe ich dir die Peitsche durchs Gesicht, daß du für den Rest deines Lebens gezeichnet bist. Es geht schließlich auch um dein Leben.“
„Laß uns verschwinden“, hauchte sie mit schmachtenden Blicken. „Ich werde dir den Himmel auf Erden bereiten.“
Der Korse lachte geringschätzig. Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Männer, die jetzt voller Angst schufteten, Wurzelwerk ausrissen oder Sanddämme errichteten. Ribas und Moleta trieben die Kerle immer wieder zur Eile an.
„Den Himmel auf Erden?“ Der Korse lachte. „Zuerst müssen wir durchs Fegefeuer, bis unsere Seelen geläutert sind. Das hier ist die Hölle, damit du einen Vorgeschmack davon erhältst.“
„Und du bist der Oberteufel!“ schrie Juanita wild. Angstvoll blickte sie zu der heranfauchenden Feuerwalze. Es sah ganz so aus, als würde diese gewaltige knisternde und fauchende Lohe die ganze Insel Cozumel verschlingen. Ein paar weiter landeinwärts stehende Palmen und Bäume standen wie riesige Fackeln in dem tosenden Inferno. Ihre feurigen Wedel schickten Funken und brennende Holzteile in alle Richtungen.
„Ja, ich bin der Oberteufel“, sagte della Rocca, „und wenn du nicht augenblicklich an die Arbeit gehst, dann wirst du im Vorhof zur Hölle braten, mein Täubchen.“
Betont lässig griff er nach seiner Peitsche, die er langsam durch die Finger zog.
„Der Satan soll dich holen!“ zischte die Schwarze haßerfüllt. Dann wandte sie sich ab und lief zu der Düne, wo die anderen wie die Kesselflicker schufteten.
Die Kerle hatten alle rußgeschwärzte Gesichter und angesengte Hände. Immer wieder sahen sie sich gehetzt um und starrten zu den beiden Schiffen, die Rettung vor den Flammen versprachen. Aber sie hatten auch hündische Angst vor della Rocca, Ribas und Moleta, die unbarmherzig auf sie einschlugen, wenn die Arbeit zu langsam voranging.
Dabei schien es sich um eine Sisyphusarbeit zu handeln, die nie ans eigentliche Ziel führte. Für die Kerle war es ein Akt der Verzweiflung. Kaum hatten sie Busch- und Wurzelwerk ausgerissen oder einen Wall aus Sand errichtet, bildeten sich durch Funkenflug hinter oder neben ihnen neue Brandnester, die wie aus dem Nichts entstanden.
Jedesmal gab es Gebrüll, wenn Funken heranstoben, den Kerlen in die Gesichter fuhren oder ihre Kleidung versengten.
Della Rocca kannte jedoch kein Erbarmen. Immer wieder trieb er die fluchenden Kerle an, fuhr mit der Peitsche dazwischen oder drohte ihnen mit dem Aufknüpfen.
Die Kerle selbst sahen nach kurzer Zeit aus wie die Feuerteufel. Sie schufteten und schufteten, aber schließlich sahen sie doch ein, daß es auch ums eigene Überleben ging.
Ein Erfolg war allerdings noch nicht abzusehen. Der Feuersturm verstärkte sich, die rotglutende Walze wurde größer und mächtiger, und da es Nacht war, wirkte alles nur noch bedrohlicher.
Gegen zwei Uhr nachts – es war der 19. Juli 1595 – sichtete Blacky auf der „Isabella“ die kleine Jolle, die die Ankerbucht ansteuerte. Diese Ankerbucht, wo „Isabella“ und „Empress“ lagen, befand sich südlich der Ankerbucht des Korsen auf der Insel Cozumel.
Die Besatzungen beider Schiffe waren noch wach. Hasard wartete bereits ungeduldig auf das Auftauchen der Jolle, in der sich Ferris Tucker und Dan O’Flynn befanden.
Schon seit Stunden hatte er sich gefragt, ob das Unternehmen der beiden Männer nicht doch zu riskant war. Sie hatten den Auftrag gehabt, dem Korsen jenes Buch zu entwenden, in welchem er nach Aussage eines seiner Kerle die Positionen seiner zahlreichen Perlenverstecke eingetragen hatte. Der Mann, der das verraten hatte, war infolge einer Schußverletzung gestorben, hatte aber noch mitteilen können, daß della Rocca über seine Perlenverstecke genau Buch zu führen pflegte.
„Die Jolle hält auf uns zu!“ rief Blacky.
Sofort reckten sich Köpfe nach vorn. Die Jolle war nur ein kaum sichtbarer Schatten, der langsam näher glitt.
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