Impressum
© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-019-0
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Sean Beaufort
Die Verlorenen der Felsinseln
Über Bord gegangen und vergessen – auf nacktem Fels kämpfen sie ums Überleben
Zwischen dem Isa-Fjord und Englands Nordküste schienen sich die Elemente gegen die Arwenacks verschworen zu haben. Längst war der letzte Rest des Met-Nebels aus ihren Köpfen geblasen, gehörten Felsen, mörderische Kreuzseen und das Feuer und der Rauch aus Islands Vulkanen der Vergangenheit an .
Die Sonne ließ sich viel zu selten blicken. Der Nebel verwirrte die Mannen. Das unruhige Meer und der wütende Wind bereiteten ihnen eine höllische Heimfahrt. Regen peitschte schier ununterbrochen vom Himmel .
Kaum hatten sie sich von Island freigesegelt, tauchten die zerklüfteten Felswände der achtzehn Inseln aus dem graublauen Meer auf – die Färöer. Jetzt herrschten die Dänen über die „Schafinseln“ und deren steile Felswände. Aber in Wirklichkeit beherrschten Stürme, Brandung und unbekannte Strömungen diese Inseln …
Die Hauptpersonen des Romans:
Blacky– geht in einer Sturmnacht über Bord und findet sich auf einer tristen Insel wieder.
Bill– auch er kantet in dieser Sturmnacht ab und wird wieder an Land gespült, mehr tot als lebendig.
Sigurd Simonsen– der Mann von den Färöer dient den Arwenacks als Lotse, als sie die Inselwelt nach den beiden über Bord gegangenen Arwenacks durchforschen.
Philip Hasard Killigrew– der Seewolf weiß, daß er nach zwei Nadeln im Heuhaufen sucht, aber er will nicht aufgeben.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Das Allerschlimmste, so hoffte Philip Hasard Killigrew, hatten die Crew und das Schiff jetzt überstanden.
Wind und See hatten die Arwenacks in Island nicht gerade verwöhnt. Die Fallwinde, die in großer Geschwindigkeit orgelnd die Steilhänge der Fjorde hinunterbrausten und Felsen, Steintrümmer und Sand mit sich schleppten, waren ebenso unangenehm und gefährlich wie die häufigen und überaus heftigen Regenfälle. Es war, als ob wahre Wasserfälle aus den daherwalzenden Wolken auf Landschaft und Schiff niederprasselten.
Die Abschiedsfeste des „nordischen Trolls“ Thorfin Njal würden den Seewölfen zwar lange in Erinnerung bleiben, aber sie stellten keinen Ersatz für Sonnenschein, ruhige See und schnelles Segeln dar.
Kaum hatten die Arwenacks die Winde und Klippen des Isafjords hinter sich gebracht, hart gegen den Westwind ansegelnd, da brachen die Riesenwellen über sie herein. Die Schebecke hatte wilde Tänze aufgeführt, aber sie schafften es, sich gut von den Felsklippen freizuhalten.
Dann erfuhren sie wieder einmal, wie stark die magnetische Nadel des Kompasses abgelenkt wurde – bis zu zwei Strich betrugen die Mißweisungen. Diese Eigentümlichkeit kannten die Rudergänger bereits. Auf der Fahrt nach Island hatte der Kompaß auch schon verrückt gespielt.
Auch am nächsten Morgen, als die Schebecke bei Westwind nach Süden segelte, rauschten zusammen mit den breiten Wellen schwarze Wolken heran, aus denen Regengüsse peitschten. Zwischen den langen Stunden schlechten Wetters rissen die Wolken nur kurz auf und überschütteten das Meer mit breiten Balken aus Sonnenlicht.
Es schien nur wenige Stellen in allen sieben Meeren zu geben, an denen das Wetter sich derartig wild zeigte – und fast immer eine Herausforderung an Kapitän und Mannschaft darstellte.
Auch die Fuglasker Barre, der Schrecken aller Islandfahrer, lag achteraus zurück: vierzig Meilen weit stießen die teils unsichtbare, teils sichtbaren Felsen wie ein mörderischer Kamm aus Klippen und Gischt im Südwesten der Insel in die offene See vor. Die messerscharfen Riffe bedeuteten den sicheren Tod für Schiff und Mannschaft. In einem weiten Bogen waren die Seewölfe um das Hindernis herumgesegelt.
Jetzt trieb der böige, starke Wind sie nach Osten. An Backbord lag die Südküste Islands, Brandungswogen und Gischt, dahinter die Strände und Felsen, darüber die Kulisse riesiger Berge und weißer Eisflächen. Wenn die niedrig treibenden Wolken und die Nebelmassen aufrissen, zeigten sich die Flammen und der Rauch der feuerspeienden Berge, über die furchterregende Berichte und Erzählungen überall auf der Insel zu hören waren.
„Ein Anblick zum Fürchten, dieser Vatnajökull!“ rief Hasard seinem Ersten zu. „Und wenn wir nicht von der Schwemmsandfläche wüßten …“
„Wir sind außerhalb, Sir!“ rief Ben Brighton zurück.
Von Deck aus waren die Schwemmsände nicht zu erkennen. Sie erstreckten sich zwischen sechs und zwanzig Meilen weit ins Meer hinaus. Zwischen Reykjavik und dem offenen Meer gab es weit und breit keinen schützenden Hafen an der gefahrstarrenden Südküste der großen Insel.
Wieder erfaßte ein „Röst“ das Schiff, eine Strömung, die die Schebecke weiter aufs Meer hinausjagte und schließlich an einem Unterwasserhindernis abriß. Eine riesige Kabbelsee bildete sich dort. Chaotische Wellen hielten das Schiff eine Viertelstunde lang in ihrer Gewalt und schüttelten es durch, schlimmer als in einem soliden Sturm. Ein Regenguß fegte von Westen heran und prasselte aufs Deck und in die hart gespannten Segel.
„Mindestens zwei Tage und zwei Nächte haben wir bis zu den Färöern noch vor uns“, sagte der Seewolf grimmig.
„Je weiter wir von dieser schauerlichen Küste weg sind, desto leichter haben wir’s“, antwortete Ben.
Die Männer hatten sich achtern an die Sorgleinen geknotet und warteten auf den Abend. Das Schiff hob und senkte sich, hob sich wieder, senkte sich abermals, in riesigen Wellen der Dünung, die von kochenden Kreuzseen unterbrochen wurden.
„Die Hekla“, meinte Hasard und zeigte zu dem unterbrochenen Flackern zwischen den dunklen Wolken. „Uns erwischt sie nicht mehr.“
„Dafür hat sie viele Isländer erwischt“, erinnerte ihn der Erste. „Im letzten Jahr war es wohl nur eine Erinnerung daran, daß der Feuerberg Menschen und Vieh tötet und alles zerstört.“
„Mir ist trotzdem nicht wohl, wenn ich die Hekla, die ‚Kapuzenträgerin‘, ansehen muß“, bekannte der Seewolf.
Viel hatten sie nicht über den Berg erfahren, der weißglühende Lava aus dem Inneren der Erde auswarf, vermischt mit riesigen Mengen feiner, schwarzer Asche, die sich erstickend auf Landschaft und das Wasser legte. Anno Domini elfhundertvier war von dem feuerspeienden Berg, der zur Sagengestalt mit der Kapuze aus schwarzem Rauch geworden war die Hälfte der Insel verwüstet worden. Drei weitere Ausbrüche, verteilt über mehr als hundert Jahre, erschreckten die Isländer, aber töteten sie nicht.
Aber jedesmal – erst vor knapp einem Jahr – zitterte der Boden. Das Eisgefüge brach donnernd auseinander. Hitze quoll aus dem Boden. Die Hekla warf ihre Kapuze ab und ließ Schnee und Eis schmelzen. Rauchschwaden verdunkelten das seltene Sonnenlicht. Giftige Luft kroch am Boden entlang und stank nach Fäulnis und dem Schwefel der Hölle.
„Dann schau nicht hin“, riet der Erste. „Sieh lieber nach, Sir, ob wir nicht die Westmännerinseln rammen.“
„Kaum. Wir sind zu weit draußen auf offener See“, sagte Hasard. „Surtsey müßte, wenn wir es überhaupt sehen, voraus an Backbord auftauchen.“
„Bei Bjarni Stangenhieb!“ brummte Stenmark, der am Ruder stand. „Wenn ich an die Wärme in der Karibik denke, dann werde ich noch seekrank.“
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