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© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-022-0
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Fred McMason
Aufbruch in die Neue Welt
Sie wollen über den Atlantik – doch der zeigt seine Krallen
Mai 1598 .
Als die drei Pilgerschiffe aufbrachen, um den Atlantik zu überqueren, herrschte auf den Galeonen noch fröhliche Stimmung .
Sie wollten in die Neue Welt, jenen vielversprechenden Kontinent, auf dem Sir Walter Raleigh bereits die Kolonie Virginia gegründet hatte .
Es waren ein paar hundert Leute, die mit Kind und Kegel ihre Heimat England für immer zu verlassen gedachten .
„Drüben“ sollte alles besser sein, schöner, herrlicher, sorgloser, ein Land in dem Milch und Honig flossen, in dem jeder ein riesiges Stück Land erhielt, um sich eine neue Existenz aufbauen zu können .
Aber auf diesen drei Auswandererschiffen, das stand schon jetzt fest, würden bald Tränen fließen, Tränen des Kummers, der Sorge und der Verzweiflung, Tränen des Heimwehs und der Angst. Und da war noch etwas: Eine Karavelle folgte dem Konvoi, besetzt mit waghalsigen Abenteurern …
Die Hauptpersonen des Romans:
Robert Granville– der Kapitän der Auswanderer-Galeone „Discoverer“ entpuppt sich schon bei Beginn der Reise als korrupter Hundesohn.
Harris– sein Erster Offizier vertritt eigene Ansichten und fliegt daher in einer dunklen Nacht über Bord.
Kelvin Bascott– der feiste Glatzkopf ist Koch auf der „Discoverer“ und bar jeder Skrupel, wenn er einen Mordauftrag erhält.
Alec Morris– das adelige Bürschchen fühlt sich in seiner Ehre gekränkt und will sich duellieren.
Philip Hasard Killigrew– der Auftrag der Königin, Auswanderer in die Neue Welt zu bringen, schmeckt ihm gar nicht und steht von Anfang an unter einem ungünstigen Stern.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Philip Hasard Killigrew stand fast unbeweglich auf dem Achterdeck der Schebecke und sah den drei Galeonen nach, die mit dem ablaufenden Ebbstrom themseabwärts segelten. Der kleine Konvoi bewegte sich noch sehr langsam.
Dieser Maimorgen versetzte fast alles in fröhliche Stimmung. Die Bäume an den Themseufern zeigten ihr erstes prächtiges Grün. Die Sonne war vor einer halben Stunde aufgegangen, und der Himmel glänzte in einem kühlen Blau.
Alles in allem war es ein herrlicher Morgen, wie er prachtvoller kaum sein konnte, ein Stimmungsbild, trotz der morgendlichen Frische.
Hasard hatte das Kommando über diesen Konvoi, der in die Neue Welt segeln sollte, um Siedler und Auswanderer hinüberzubringen. Die Königin selbst hatte ihn darum gebeten.
Der Seewolf lauschte wie gebannt einer hellen Stimme, die glockenhell und rein durch den glasklaren Morgen klang. Es war eine Frau, die da sang, aber er konnte sie unter der Vielzahl der Menschen nicht entdecken.
Er wußte nur, daß der Gesang von der „Explorer“ kam, einer Galeone unter Kapitän Amos Toolan, einem dicklichen frömmelnden Gemütsmenschen, den Edwin Carberry als freundliches puritanisches Rübenschwein bezeichnet hatte, als er ihn das erste Mal sah.
Freundliches puritanisches Rübenschwein, dachte Hasard belustigt. Carberry hatte die drei Kapitäne genau richtig eingeschätzt, und zwar auf den ersten Blick. Sie waren auch recht unterschiedlich.
James Drinkwater von der „Pilgrim“ war ein beherrschter, hochgewachsener und gradlinig denkender Mann.
Robert Granville von der „Discoverer“ hingegen war ein undurchsichtiger Kerl, herrschsüchtig, hemmungslos und wahrscheinlich ein korrupter Hundesohn, wenn Hasard ihn richtig taxiert hatte.
Aber das mußte erst die Zukunft ergeben. Er traute Granville jedenfalls nicht über den Weg. Zudem hatte es schon den ersten Ärger gegeben.
„Sie singen das Auswandererlied der Iren“, sagte Ben Brighton. „Es ist eine etwas schwermütige Melodie, aber ein fröhlicher Text. Ich kenne dieses Lied, hab’s schon oft gehört. Aber es klang nie so rein wie von dieser Frauenstimme.“
Hasard nickte ausdruckslos.
„Stimmt. Sie singt wunderbar.“
„Zieh in die Welt, die Welt ist groß und wunderbar“, sang die Frau, „zieh in die Welt und suche dort dein Glück. Ein froher Mut begleiten soll dich immerdar, dann bringt die Sehnsucht dich zur Heimat auch zurück.“
Auf der „Explorer“ wurde laut geklatscht, nachdem das Lied beendet war.
„Hört sich wirklich gut an“, sagte Hasard mit einem leisen Seufzen. „Aber was wissen diese armen Leute schon von der großen Welt? Sie sind nie über London hinausgelangt. Sie sehen nur das gelobte Land vor sich und haben keine Ahnung, was ihnen mit der Überfahrt in ihrer qualvollen Enge noch bevorsteht.“
„Du scheinst heute ganz besonders pessimistisch zu sein, Sir“, sagte Don Juan de Alcazar, der sich ebenfalls auf dem Achterdeck aufhielt. „Das ist doch sonst nicht deine Art.“
„Mir gefällt der Auftrag nicht, aber ich konnte ihn schlecht ablehnen“, erwiderte Hasard. „Pessimismus mag auch dabei im Spiel sein. Ich sehe mehr als dreihundert Menschen, zusammengepfercht wie Vieh auf drei kleinen Galeonen. Männer, Frauen, Kinder, Heranwachsende. Alle sind voller Optimismus, sie freuen sich auf das neue Fleckchen Erde, wo sie hoffen, in Ruhe und Beschaulichkeit leben zu können. Jetzt sieht alles noch rosig aus, erscheint abenteuerlich und neu. Wie aber wird es in etwa drei Wochen aussehen? Oder nur in vierzehn Tagen? Ich soll diese Schäfchen zusammenhalten und darauf achten, daß sie die Neue Welt gesund und munter erreichen. Das ist wahrhaftig keine leichte Aufgabe.“
„Das ist richtig. Noch sind wir auf der Themse“, gab Don Juan zu. „Im Channel sieht es schon wieder ganz anders aus, und wenn wir in den Atlantik segeln, geht es erst richtig los.“
„Und der Atlantik ist nur der Anfang. Wenn er seine Krallen zeigt, sieht es für die Leute schlecht aus.“
Dan O’Flynn unterbrach ihr Gespräch und zeigte mit dem Daumen über die Schulter achteraus.
„Wollte eure Unterhaltung nicht stören, aber wir haben offenbar noch ein weiteres Schiff dazugekriegt. Uns folgt seit dem Ablegen beharrlich eine kleine Karavelle.“
Der Seewolf drehte sich nicht einmal um.
„Das ist mir nicht entgangen. Sie ist eben ausgelaufen wie wir auch, zufällig zur selben Zeit. Sie haben den Ebbstrom genutzt, die günstigste Zeit, um themseabwärts zu segeln. So haben wir es auch getan.“
„Irgend etwas ist merkwürdig an dem Schiff“, beharrte Dan. „Die Kerle darauf sehen recht abenteuerlich aus, gar nicht so wie Seeleute im allgemeinen. Außerdem beobachten sie uns dauernd durch den Kieker.“
„Sollen sie“, sagte der Seewolf achselzuckend. „Möglicherweise sind es Angehörige der Pilger, die Freunde und Bekannte ein Stück auf der Themse begleiten. Um Piraten dürfte es sich wohl kaum handeln, denn die haben nicht viel zu erwarten von den armen Leuten.“
Old O’Flynn starrte etwas finster und mit zusammengekniffenen Augen zu den drei voraussegelnden Galeonen, deren Decks von vorn bis achtern mit Menschen überfüllt waren. Sie standen zusammengedrängt da und blickten abschiednehmend auf ihre Heimat, die sie vermutlich nie wiedersehen würden.
„Diese Reise steht unter keinem guten Stern“, sagte Donegal mehr wie zu sich selbst. „Das soll keine Unkerei sein, aber ich fühle es überdeutlich. Wir werden noch eine Menge Ärger kriegen.“
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