Impressum
© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-837-9
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Roy Palmer
Sie hatten ein Tabu verletzt – und darum griffen die Indianer an
Die geheimnisvolle Karte in dem verborgenen Schubfach der Kapitänskammer hatte alles ausgelöst – vor allem Neugier. Aber Hasard und sein Erkundungstrupp hatten nicht erwartet, auf der Isla de Puná im Golf von Guayaquil auf eine alte indianische Grabstätte zu stoßen, die auf der Karte des verstorbenen spanischen Kapitäns mit einem schwarzen Kreuz markiert worden war. Als sie ihren Irrtum begriffen, war es bereits zu spät, und sie wurden von einem Pfeilhagel eingedeckt. Darum flüchteten sie in den Grabhügel – Fred Finley mit einer Pfeilwunde in der Schulter, Smoky mit einer Kopfwunde. Aber damit saßen sie in der Falle, denn die Indianer hatten die Grabstätte umstellt. An die vierzig mußten es sein – zu viele für die Seewölfe …
Die Hauptpersonen des Romans:
Philip Hasard Killigrew– sitzt mit seinem Erkundungstrupp in der Falle und zerbricht sich den Kopf, wie er seine Männer und sich befreien soll.
Jean Ribault– handelt leichtsinnig und wird dafür mit drei Pfeiltreffern bestraft.
Ben Brigthon– kann nichts unternehmen, um dem Seewolf und seinem Trupp zu helfen.
Philip Junior– ist neugierig und findet einen dritten Ausgang aus der alten indianischen Grabstätte.
Dan O’Flynn– hofft auf ein Wunder, obwohl alles dagegenspricht.
Kapitel 1.
Kapitel 2.
Kapitel 3.
Kapitel 4.
Kapitel 5.
Kapitel 6.
Kapitel 7.
Kapitel 8.
Philip junior riskierte einen Blick über die rechte Schulter seines Vaters.
„Vielleicht haben sie sich zurückgezogen“, murmelte er.
„Nein“, sagte der Seewolf. „Sie lauern nach wie vor im Dickicht.“
„Klarer Fall“, brummte Carberry. „Wenn’s sein muß, halten sie es Wochen aus, sogar Monate. Aber dann sind wir längst verreckt. O Hölle, was für eine beschissene Lage.“
Matt Davies stieß einen saftigen Fluch aus. Er blickte dabei zu Pater David, aber der tat so, als habe er nichts gehört.
„Wir haben wirklich nicht die geringste Chance“, sagte Matt. „Wir sitzen hier in der Falle wie die Fliegen.“
„Wie die Ratten, meinst du wohl“, sagte Jean Ribault.
„Ist doch egal.“
„Von Ratten will ich nichts mehr hören, zum Teufel noch mal“, sagte der Profos. „Mit den Biestern haben wir in der letzten Zeit zuviel zu tun gehabt.“
„Die Tierchen wären mir lieber als schießwütige Indianer“, sagte Smoky und verzog gequält sein Gesicht. Die Kopfwunde schmerzte wieder.
Sie schwiegen und blickten mit ernsten Mienen vor sich hin. Ja, sie saßen wirklich in der Klemme – und die Kameraden, die sich an Bord der „Esperanza“ befanden, konnten ihnen auch kaum helfen. Es war wie verhext. Sie steckten hier, in der Grabstätte, fest und konnten sich aus eigener Kraft nicht befreien. Wenn nicht ein Wunder geschah, waren, sie geliefert.
Aber wie hatte das alles geschehen können? Hatten sie nicht Panama mit dem Vorhaben verlassen, direkt südwärts zu segeln, um den Silberminen von Potosi einen „Besuch“ abzustatten? Das war der eigentliche Plan gewesen, aber dann hatten Hasard und Dan bei der genauen Untersuchung der Kapitänskammer der „Esperanza“ jenes Geheimfach im Pult entdeckt, in dem die beiden Karten lagen: eine vom Golf von Guayaquil und die andere von der Isla de Puná, die sich mitten in dieser Bucht befand.
Der spanische Capitán der dreimastigen, lateinergetakelten Karavelle, der jetzt nicht mehr am Leben war, hatte einen sehr genauen Lageplan angefertigt. Was hatte das Kreuz zu bedeuten, das auf der Zeichnung der Insel eingetragen war?
Nun, inzwischen wußten sie es. Es handelte sich bei diesem geheimnisvollen Ort, den sie unbedingt hatten auskundschaften wollen, um eine Grabstätte – um ein „lausiges Loch“, wie Carberry es nannte.
Die felsige Grabstätte lag unter Palmitos, dreißig Fuß hohen Palmen, und Sarsaparilla, einem Stechpalmengewächs, im Herzen der Insel verborgen. Mit Entermessern hatten sich die Männer und die beiden Jungen einen Pfad durch den Verhau schlagen müssen, um das Ziel zu erreichen, das der spanische Capitán durch gestrichelte Linien auf der Karte genau fixiert hatte.
Ein Gewirr buckliger Felsen – das war alles. Karl von Hutten hatte als erster erkannt, daß es sich um eine Grabstätte handelte. Die Chimús, ein Indianerstamm, hatten solche Stätten angelegt, allerdings hatte ihr Reich, das bis ins 15. Jahrhundert bestanden hatte, südlicher gelegen.
Matt Davies wurde bei der eingehenden Untersuchung der Buckelfelsen schließlich fündig: Ein senkrechter Felsen von ovaler Form, mannsbreit und schulterhoch, ließ sich drehen und entpuppte sich als armdicke Felsenplatte, die mit ihren abgerundeten Spitzen oben und unten in entsprechende Gesteinsvertiefungen eingelassen war.
Diese Platte ließ sich ohne großen Kraftaufwand um ihre ganze Achse drehen. Nur probeweise hatte Matt seinen Prothesenhaken links in die Fuge gehakt und gezogen, da hatte sich die Platte gedreht. Sie gab zwei enge Eingänge frei, durch die sich ein ausgewachsener Mann gerade hindurchzwängen konnte.
Nach dieser Entdeckung war alles sehr schnell gegangen: Dan O’Flynn, der als Posten auf dem nördlichen Festlandfelsen zurückgeblieben war, hatte ein Zeichen mit der roten Flagge gegeben. Hasard hatte es gesehen und sofort reagiert – die Indianer hatten sie eingekreist und sie mit ihren Pfeilen befeuert.
Carberry entging nur um ein Haar einem Pfeil, Fred Finley wurde an der linken Schulter verletzt. Pater David zog den Pfeil heraus. Ein anderer Pfeil hatte Smoky einen Scheitel gezogen, eine blutige Schramme, die verbunden werden mußte.
Die acht Männer und die beiden Jungen saßen fest. Was sollten sie unternehmen? Es nutzte ihnen nicht viel, daß sie Schußwaffen hatten, sie konnten sich den Fluchtweg unmöglich freischießen. Die Indianer lagen im Hinterhalt und boten kein Ziel. Auch hatte es wenig genutzt, daß der Seewolf mit seinem Radschloß-Drehling einen Warnschuß abgegeben hatte.
Bei der Stätte, so hatte sich inzwischen herausgestellt, handelte es sich um einen großen Grabhügel, der eine Anzahl von Grabkammern und Nischen enthielt. Die Gerippe der Toten waren von verfallenen Tüchern umhüllt, neben ihnen lagen die Grabbeigaben: steinerne Streitäxte und Streitkeulen, bemalte Teller und Krüge, Goldschmuck und goldene Gesichtsmasken. Ohne Zweifel waren hier bereits zwei Kammern auf den Kopf gestellt und ausgeplündert worden.
Karl von Hutten hatte einen Versuch unternommen, sich mit den Indianern zu verständigen, aber sie glaubten ihm nicht, daß es sich bei den Weißen um Freunde handelte. Sie wollten die „verfluchten Fremden“ töten, aushungern oder den Dursttod sterben lassen.
Ihr Haß schien keine Grenzen zu kennen, und jeder Eindringling, der allein durch seine Anwesenheit ihr Heiligtum schändete, verdiente es, eines grausamen Todes zu sterben.
In gewisser Weise konnte Hasard sie sogar verstehen. Aber was sollte er unternehmen, wenn sie zu Verhandlungen nicht bereit waren? Vor allem – was würde Ben Brighton tun?
Früher oder später begriff er, was geschehen war, und dann handelte er, wie sie das vereinbart hatten. Das wiederum würde zu einem Blutbad führen. Ein Massaker aber mußte um jeden Preis verhindert werden.
So stand der Seewolf im doppelten Sinn auf Stützen: Er konnte seine Kameraden und sich nicht aus dieser aussichtslosen Lage befreien, und er konnte sich auch mit Ben Brighton und den anderen an Bord der „Esperanza“ nicht verständigen.
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