Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-950-5
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Davis J. Harbord
Die Piraten von Abu Dhabi
Sie sind wie Piranhas – zahlreich und mörderisch
In die Straße von Hormus – die Verbindung zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman – ragt wie eine drohende Spitze die Musandam-Halbinsel hinein, ein Gebirgsland mit tiefen, fjordartigen Buchten .
Dort an der Kapspitze der Halbinsel lauerten die Späher des Hassan al-Karab und beobachteten die Dreimastgaleone, die durch die Straße von Hormus in den Persischen Golf segelte .
Als sie sicher waren, daß die Galeone auf der Westseite des Golfes bleiben würde, jagte ein Kamelreiter nach Abu Dhabi, um Hassan al-Karab die freudige Botschaft zu überbringen – freudig deshalb, weil die Giaur-Galeone ein fetter Brocken zu sein schien. Jedenfalls hatte sie tief geladen .
Dafür hatten die Späher einen sicheren Blick. Sie gehörten zum arabischen Raubstamm der Joasmäer, der seit Menschengedenken in dieser südlichen Ecke des Persischen Golfes dem einträglichen Geschäft der Piraterie nachging. So gesehen, waren sie Fachleute im Schnapphahngewerbe, keine Stümper. Und sie konnten sich rühmen, noch jedes Schiff aufgebracht zu haben, das ihnen eine Jagd wert gewesen war .
Jetzt würde Hassan al-Karab entscheiden, ob und wann die Jagd beginnen sollte. Aber er würde bei diesem fernen Happen nicht zögern .
Der war beinahe schon so gut wie verspeist …
Die Hauptpersonen des Romans:
Hassan al-Karab– Der Scheich der Joasmäer versucht, eine Nuß zu knacken, die sich im nachhinein als eisenhart herausstellt.
Paddy Rogers– Als Ausguck paßt er in entscheidenden Minuten nicht auf und ist bereit, die Folgen auf sich zu nehmen.
Smoky– Der Decksälteste der Arwenacks wird von der Wettsucht gepackt, aber zu seinem Leidwesen gewinnt er die Wette nicht.
Edwin Carberry– Der Profos ist der Gewinner der Wette, doch dann gibt es erhebliche Schwierigkeiten bei der Einvernahme der Wettschuld.
Philip Hasard Killigrew– Der Seewolf hat mächtigen Ärger mit seinem Schwiegervater Old Donegal, der einen Bibeltext verkehrt auslegt.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Ende März 1597, Persischer Golf, Westküste bei Abu Dhabi.
Diese Ecke im Südwesten des Golfes sollte später den sinnigen Namen „Piratenküste“ erhalten. Später! Die Arwenacks wußten nichts davon – konnten sie auch nicht, denn bisher hatte noch kein englischer Seefahrer den Persischen Golf durchsegelt. Die Portugiesen und Spanier wußten da schon besser Bescheid, hängten ihr Wissen aber nicht an die große Glocke.
Wenn man nämlich hinauf zum Schatt el Arab wollte, dem Endpunkt des Zweistromlandes, dann blieb man gefälligst auf der Ostseite des Golfes, also auf der persischen Seite. Denn die arabische Westseite hatte seit langer Zeit einen üblen Ruf.
Aber, wie gesagt, die Arwenacks waren ahnungslos.
Um diese Zeit herrschten Nordostwinde vor. Und um nicht in die Abdeckung des persischen Hochlandes auf der Ostseite des Golfes zu geraten, hatte Hasard die Route längs der Westküste vorgezogen. Er verfuhr nach der schlichten navigatorischen Regel, dem Küstenverlauf zu folgen, um ans Ziel zu gelangen. Schließlich war der Golf eine Art Binnenmeer.
Seemännisch und navigatorisch war diese Entscheidung Philip Hasard Killigrews völlig in Ordnung, auch wenn sich diese Route auf der Westseite länger hinzog als die Route an der persischen Küste drüben.
Zur Zeit lief die „Santa Barbara“ beim Verlauf der arabischen Küste nach Südwesten volle Fahrt, nämlich fast platt vorm Laken. Es war das, was Edwin Carberry mit „der Lust des Seefahrers“ bezeichnete. Bei Wind von achtern hatte man nämlich so eine Art Hochgefühl. Da konnte man dem Wind alle Tücher darbieten und „die große Brause“ machen, ohne sich mit viel Segeltrimm abrackern zu müssen – im Gegensatz zum Kreuzkurs.
Der war keine „Lust“, sondern, laut Carberry, „der letzte Scheiß“. Wer sollte da widersprechen? Das war knapp und präzise auf den Punkt gebracht.
Also: feiner Wind von achtern, Sonne, glasklare See von blaugrüner Färbung, mäßig bewegt – da konnte man Däumchen drehen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. An Backbord zogen Inseln und Inselchen vorbei. Hinter ihnen lag das dünengewellte Land, dazwischen Watt, von Prielen durchzogen. Auf Korallenbänke war zu achten – und auf Sande.
Fast wie an der Nordseeküste, dachte Hasard, wenn man die Korallenbänke ausklammert. Und wärmer war’s hier auch. Trotzdem – der Golf hatte einen erheblichen Tidenhub, also das, was man den Höhenunterschied von einem Niedrigwasser bis zum nächsten Hochwasser bezeichnet. Hier mochte er etwa sechs Yards betragen. Da hieß es aufpassen.
Zur Zeit herrschte Hochwasser. Und die Zeit von einem Hochwasser bis zum nächsten Niedrigwasser – beziehungsweise umgekehrt – betrug etwa zehn Stunden, vielleicht sogar mehr.
Im Ausguck befand sich Paddy Rogers. Er mußte jene Stellen voraus melden, wo das Wasser eine hellere Färbung annahm. Da war mit Sicherheit eine Sandbank anzutreffen. Um ungehinderte freie Sicht nach voraus zu haben, hatte Paddy Rogers den Ausguck im Vormars bezogen. Vom Hauptmars aus hätten ihm die Vorsegel die Sicht versperrt.
Paddy war fleißig am Sichten und Melden.
Zwei andere Arwenacks waren ebenfalls fleißig, nämlich die beiden jüngsten Gentlemen an Bord – Hasard und Philip junior. Sie hatte das gepackt, was man einen jugendlichen Beschäftigungstrieb nennt. Vom Segeln vorm Wind – „der Lust des Seefahrers“ – hielten sie zwar auch eine ganze Menge, aber das betulich Romantische an dieser Art Segelei überließen sie doch lieber den älteren Gentlemen.
Kurz und gut – sie angelten.
Wer hier meint, das Bild des am Ufer sitzenden und auf den Kork im Wasser stierenden Anglers vor sich zu haben, der irrt. Eine Angelrute war auch nicht im Spiel. Die beiden Junioren hatten ein anderes Verfahren ausgetüftelt, das, wie sie meinten, durchaus vom im Fahrt befindlichen Schiff her zu betreiben sei.
Big Old Shane, ehemaliger Schmied auf der Feste Arwenack, hatte ihre Idee zur handwerklichen Ausführung gebracht. Er hatte ihnen aus Kupferblech hübsche Fischchen von der Länge des kleinen Fingers ausgeschnitten, ihre Schwänze mit einem Haken und ihre Köpfe mit einem Ring versehen. An dem Ring wurde eine lange Angelschnur befestigt. Außerdem befanden sich an diesem Schnurende eingeknotete Bleikugeln.
Die Angelschnur selbst war auf einer Handrolle aufgespult. Hasard und Philip junior hatten ihre Überlegungen wie folgt dargelegt: Man müsse davon ausgehen, daß größere Fische die kleineren zu fressen pflegten – im Fluge sozusagen, das heißt, aus der Bewegung heraus. Unstreitig sei die Freßsucht bestimmter Fischarten sowie ihre Neugier. Daraus folgere, daß ein kleiner imitierter Fisch aus Kupfer ihr Interesse erregen werde.
Werfe man nun diesen Kupferfisch an der Angelschnur möglichst weit über Bord – als Gewichte dienten die Bleikugeln –, dann werde die Schnur auf der Rolle abgespult und schwinge mit dem Köderfischlein am anderen Ende wieder zum Schiff zurück. Gleichzeitig müsse man Hand über Hand die Schnur heranziehen oder wieder auf der Rolle aufspulen, womit man den Eindruck erwecke, als schwimme das Fischlein.
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