Impressum
© 1976/2017 Pabel-MoewigVerlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-684-9
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
„Ich bin zu allem bereit!“
Das waren die letzten Worte des Kapitäns der „Fidelity“ Easton Terry. Sie besiegelten seinen Verrat an seiner eigenen Crew, an Philip Hasard Killigrew und den Seewölfen und an dem gemeinsamen Auftrag, den sie von der englischen Königin erhalten hatten, um eine Katastrophe, die England drohte, abzuwenden. Fünf böse Worte – sie hallten in dem Kellerwölbe der Burgruine an der bretonischen Küste nach und standen noch unverrückbar im Raum, als sie längst verklungen waren, Worte der Unehre, der Schande, der Feigheit.
Das Gesicht des Verräters paßte zu diesen fünf Worten. Das zynische Grinsen – Hasard kannte es so gut – wirkte wie eingefroren. Hasard sah das Profil Easton Terrys. Die Fakkeln in den Halterungen des Kellergewölbes leuchteten es aus – den rechten Mundwinkel, der nach unten gezogen war. Dieses Grinsen hatte ihm nie gefallen. Vom ersten Moment an, als er diesen Mann kennenlernte, hatte es ihn gewarnt und sein Mißtrauen hervorgerufen.
Jetzt war alles nackte, brutale Wirklichkeit.
Kapitän Easton Terry, englischer Korsar mit königlichem Kaperbrief, von der englischen Krone beauftragt, unter dem Kommando Philip Hasard Killigrews das Geheimnis der Priatenüberfälle auf englische Handelsfahrer an der französischen Atlantikküste zu klären, dieser Kapitän hatte sein wahres Gesicht gezeigt und war auf die Seite des Gegners übergegangen.
Der Gegner war Spanien.
Dort, vor Easton Terry, stand ein Mann, der das bewies. Hasard fiel es wie Schuppen von den Augen. Der Gegenspieler der Seewölfe und der „Fidelity“-Crew war nicht der bretonische Pirat und Bandenführer Yves Grammont, sondern Lucio do Velho, ein fanatischer England-Hasser und alter Gegner der Seewölfe. Grammont war nur ein Werkzeug. Aber der Mann, der die Drähte zog und aus dem Dunkel heraus agierte, hieß Lucio do Velho.
Hier, in diesem Kellergewölbe hatten sie sich alle zu einem geheimen Treff versammelt – Lucio do Velho, der ihm hündisch ergebene Ignazio, Yves Grammont mit seinen beiden Kapitänen Pierre Servan und Jean Bauduc sowie die Schlagetots von der „Louise“ und der „Coquille“ und drei Hasard unbekannte Spanier.
Und Easton Terry, der nach dem letzten Gefecht gegen Grammont den Piraten in die Hände gefallen war.
O ja, sie hatten ihn offenbar nicht sehr zart behandelt, diesen „englischen Hundesohn“. Aber von Freibeuterkapitänen Ihrer Majestät der Königin von England durfte man erwarten, daß sie Stehvermögen zeigten und nicht gleich umfielen, wenn sie rauh angepackt wurden. Keinesfalls jedoch durften sie etwas über ihren geheimen Auftrag verraten. Aber genau das hatte Easton Terry getan, ja, er war noch weiter gegangen: er hatte sich angeboten, auf der Seite der Franzmänner und Dons gegen die Engländer zu kämpfen.
„Ich bin zu allem bereit!“
Der Verräter hatte gesprochen, und über das breite Gesicht Lucio do Velhos glitt ein Grinsen der Genugtuung, während ihm gleichzeitig mehrere Gedanken durch den Kopf schossen, Gedanken, wie sie intriganten Gehirnen eigen sind. Denn er hatte sofort begriffen, was es bedeutete, diesen englischen Kapitän im eigenen Lager zu haben. Man konnte ihn gegen die Seewölfe ansetzen, ohne daß diese ahnten, welchen Gesinnungswechsel Terry vollzogen hatte. Ah, ganz einfach, man brauchte ihn nur zu seinem Schiff zurückkehren zu lassen – mit dem Auftrag, sich der „Hornet“, ihres Kapitäns und seiner Crew zu bemächtigen.
Terry war korrupt. Wenn man ihm Geld für diese Aktion anbot, würde er sie übernehmen und durchführen, das war sicher. Er haßte Philip Hasard Killigrew, das hatte er deutlich zu verstehen gegeben. Diesem Kapitän Terry war die Sache Englands gleichgültig. Er hing seine Fahne nach dem Wind. Wer ihm mit klingender Münze winkte, dem folgte er.
Lucio do Velho ließ seinem zufriedenen Grinsen ein Kichern folgen. Da winkte auch noch der Kopfpreis, der von der spanischen Krone auf die Ergreifung Philip Hasard Killigrews ausgesetzt war – ein Wink des Schicksals, wie der Portugiese, der für Spanien als Agent und Spion tätig war, meinte.
Der Höhenflug, auf dem sich Lucio do Velhos Gedanken befanden, wurde abrupt und jäh unterbrochen.
Und auch das war die rauhe Wirklichkeit.
Aus dem dunklen Schatten der gewundenen Steintreppe, die in das Kellergewölbe hinunterführte, lösten sich zwei Gestalten. Fast wie Katzen setzten sie die letzten Stufen hinunter und tauchten im Licht der Fackeln auf, das jetzt auch auf die blanken Klingen ihrer Degen fiel, die sie in den Fäusten hielten.
Auch hier mußte Verrat im Spiel sein. Wie sonst hätten diese beiden Männer in das Kellergewölbe der Burgruine gelangen können?
Und wo steckte Jules Arzot, der draußen vor der Ruine Wache halten sollte? Hatten sie ihn überwältigt, ohne daß er einen Warnschrei ausstoßen konnte?
Müßig, jetzt darüber nachzudenken.
Lucio do Velhos härtester Gegner hatte den Weg in das Kellergewölbe gefunden – Philip Hasard Killigrew. Der Mann neben ihm war do Velho unbekannt. Aber er interessierte ihn auch nicht. Allein das Auftauchen Philip Hasard Killigrews genügte, Lucio do Velho zur Salzsäule erstarren zu lassen. Wie gelähmt war er. Sein Kichern war verstummt, sein Mund zu einer Grimasse verzerrt.
Aber der Seewolf hatte nur einen flüchtigen Blick für ihn übrig, der allerdings fast wie eine Ohrfeige wirkte. Die ganze Verachtung in diesen eisblauen Augen traf jedoch Easton Terry, aus dessen kantigem Gesicht alle Farbe gewichen war.
„Sie Lump!“ zischte Hasard.
Terry prallte zurück, als sei ihm eine Degenklinge durchs Gesicht gefetzt worden.
Die drei Spanier in Lucio do Velhos Begleitung starrten mit offenen Mündern den Riesen an, dessen Augen Funken zu sprühen schienen. So einen Mann hatten sie noch nie gesehen. Aber sie ahnten, daß er jener Mann sein mußte, den man Seewolf nannte – eine fast matte Bezeichnung für einen Kämpfer, über den die wildesten Geschichten im Umlauf waren. Und auch sie alle drei wichen zurück, denn sie spürten die tödliche Gefahr, die von diesem Mann ausging. Da brauchte man nur in dieses scharfgeschnittene Gesicht zu sehen, das jetzt eine erbarmungslose Entschlossenheit ausdrückte. Ein Gruseln überlief die drei zurückweichenden Spanier.
Einzig Yves Grammont, der wüste Schnapphahn von der bretonischen Küste, fand zu einer Reaktion. Er sah rot vor lauter Wut. Da hatte er endlich den schwarzhaarigen Teufel vor sich, der ihm in den letzten Gefechten soviel Schaden zugefügt und ihn nahe an eine endgültige Niederlage gebracht hatte.
Und bei ihm befand sich Gustave Le Testu, der verdammte Hugenotte, von dessen Höllenflasche die „Louise“, Grammonts Flaggschiff, so schwer beschädigt worden war, daß er das eine Gefecht mit den englischen Hunden hatte abbrechen müssen.
In diesem Moment der aufflammenden Wut erlag Grammont – wie auch seine Schnapphähne – dem Irrtum, die beiden Männer seien allein in das Kellergewölbe vorgedrungen.
„Auf sie!“ brüllte er seinen Kerlen zu, riß die Pistole aus dem Gurt, legte auf Hasard an und feuerte. Der Schuß dröhnte in dem Kellergewölbe wie die Breitseite einer Kriegsgaleone.
Aber das Blei pfiff über Hasard weg, der sich reaktionsschnell hingeworfen hatte, Sekunden später jedoch wieder hochschnellte. Mit einem wüsten Degenhieb fegte er Grammont die Pistole aus der Hand, der die Waffe auf ihn schleudern wollte.
Grammont brüllte wie ein wildgewordener Stier, seine Kerle genauso, die sich mit Säbeln, Degen oder den nackten Fäusten auf Hasard und Le Testu stürzten und meinten, leichtes Spiel mit diesen beiden Männern zu haben, die so wahnsinnig gewesen waren, allein eine mehr als zehnfache Übermacht anzugreifen.
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