peter bachstein
Never Ending Reiserausch
Short Stories aufgeschrieben unterwegs
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel peter bachstein Never Ending Reiserausch Short Stories aufgeschrieben unterwegs Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Statt Socken stricken auf die Socken machen – kann auch als Einleitung gelesen werden...
2. Big Sister ist watching you und back to GDR
3. Intercity Schaukelzug und Einkehr ins Café K
4. Palatschinke mit Bier und ein Koch aus Plastik
5. Goldene Träume in Dresden
6. Weimar voll im Goethegriff? Keineswegs...
7. Zwischen Museum und Kneipe
8. Kleines Abenteuer auf der Suche nach dem E Haus
9. Lebenswasser oder Odyssee in Sachen Whisky
10. Out of the City oder: Der Großstadtwanderer wird vom Berg gerufen
11. Und nochmal Berg – mit Old School Eisenbahn
12. Vom Bayerischen Wald nach Nashville
13. Trogir oder: Der Gott des Großstadtwanderers
14. Übernachten wie Diogenes
15. Nicht der Atlantik, nur die Ostsee oder: Kleine Wassertour durch die Wohlenberger Wiek
16. Nicht nur Berlin oder Sansibar - kann auch als Schlusswort gelesen werden...
Impressum neobooks
1. Statt Socken stricken auf die Socken machen – kann auch als Einleitung gelesen werden...
Der Großstadtwanderer und die geheimnisvolle Besucherin gehören bekanntlich zu jenen Leuten, die nicht gerade über Adleraugen verfügen, was nicht heißt, dass sie richtig blind sind. Sie sehen bloß nicht besonders viel – eher sogar etwas weniger. Trotzdem sind sie keineswegs übertrieben häuslich orientiert, sondern stiefeln lieber durch laute Städte und stille Wälder oder sogar auf die Gipfel höherer Berge, was im familiären Umfeld bisweilen auf ein gewisses Unverständnis trifft. Und überhaupt könnten die Beiden doch wie anständige Großeltern die zehn Enkelkinder betreuen und für dieselben wärmende Socken stricken statt sich dauernd auf die Socken zu machen um die Gegend da draußen mit ihren Fußstapfen zu schmücken.
Doch da ist die ewige Sehnsucht...
... nach der Welt außerhalb der heimischen vier Wände. Gegen die gibt es bislang keine wissenschaftlich abgesicherte Therapie und gäbe es eine solche, würden die Beiden sich mit großer Wahrscheinlichkeit Therapie resistent verhalten. Außerdem können sie mit Stricknadeln nicht umgehen und wenn sie ein Enkelkind dabei haben, geht’s mit ihm oder ihr auch hinaus in die nahe oder weite Welt. Manchmal nehmen sie sogar einen Kinderwagen mit. Ein Baby liegt jedoch nicht drin, sondern Luftmatratzen, Schlafsäcke, Campingmöbel und obendrauf ein Zelt. Proviant natürlich auch – Schokolade und Grappa beispielsweise...
Klar kommen da manchmal so dusselige Fragen nach dem Sinn des ewigen Unterwegsseins, wo doch der visuelle Aktionsradius eine gewisse Begrenztheit akzeptieren muss. Solche Fragen stammen prinzipiell von Leuten mit voller Sehschärfe die meinen, deswegen auch den vollen Durchblick zu haben obwohl sich ihre Wahrnehmung der Welt fast ausschließlich optisch austobt. Als hätten die Menschen neben der visuellen nicht auch noch jede Menge weiterer Wahrnehmungsmöglichkeiten. Schließlich sieht die große weite Welt nicht nur irgendwie spannend aus, sondern hört sich auch verdammt interessant an oder riecht und schmeckt verführerisch.
Insbesondere das Schmecken hat es dem Großstadtwanderer angetan. Er hat auf seiner Never Ending Tour so manches opulente Mal sowie haufenweise köstliche Kleinigkeiten verputzt. Allein dafür hat sich dieses Reiseleben schongelohnt und Seheinschränkungen beziehen sich bekanntlich nicht auf Gaumen und Zunge, sondern nur auf die Augen. Und überhaupt ist ja noch ein brauchbarer Sehrest vorhanden mit dessen Hilfe der Großstadtwanderer in der Lage ist, auch jede Menge optische Eindrücke zu sammeln um sie anschließend Lesern und Hörern anschaulich zu servieren. Außerdem ist die geheimnisvolle Besucherin ja meistens auch in der Nähe um beim visuellen Interpretieren der jeweiligen Gegend behilflich zu sein.
Aber ist es nicht gefährlich..
...mit Sehbehinderung durch die Welt zu geistern, fragen da die immer und ewig Besorgten und der Großstadtwanderer will das keineswegs bestreiten – ganz im Gegenteil. Beispielsweise wäre er im antiken Termessos beinahe mal in eine Zisterne gefallen. Trotzdem gestattet er sich die Gegenfrage, ob es nicht auch gefährlich war, als die Phönizier und Wikinger oder auch ein gewisser Kolumbus einfach mal los segelten übers endlose Meer ohne zu wissen wohin und dabei zufälligerweise Amerika entdeckten? Oder als jenes merkwürdige Wesen einst vom sicheren Baum kletterte, um fortan als Savannen-, Wald- und Bergläufer auf die abenteuerliche Reise ohne Ende zu gehen? Dagegen ist doch das Reisen mit mit ein Bisschen Sehbehinderungein durchaus kalkulierbares Risiko.
Natürlich gibts unterwegs...
...die eine oder andere Beule, insbesondere wenn man wie diese Beiden hier eher die etwas holprigen Pfade bevorzugt. Aber solche Beulen gehen auch wieder weg und vor allem sind auch jene Leute mit visueller Überkompetenz durchaus mit Beulen gesegnet. Liegt wahrscheinlich eher an den holprigen Pfaden als an den schwächeren Linsen...
Okay, das soll genügen. Wer mehr darüber wissen möchte, kann ja fragen oder weiter lesen und alle, die den Großstadtwanderer kennen, werden bestätigen können, dass er zu sehr umfassenden Antworten bereit ist. Ansonsten geht’s jetzt ohne weitere Verzögerung aber mit Brille und guter Laune voll rein in die netten kleinen Zufallsabenteuer, wobei der obligate gastronomische Schlussakkord meistens für das kulinarische Happy End sorgt...
2. Big Sister ist watching you und back to GDR
„Mit der Eisenbahn gefahren sind wir schon seit vielen Jahren“ heißt es in einem arg geschüttelten Reim, den die beiden Hauptreisenden dieser Kreuz-und-Quer-Storys unter dem gemeinsamen Decknamen Artemidorful einst der staunenden Menschheit als epochalen Rocksong auftischen wollten. Darin wurde zwar nicht vom Unterwegssein gesungen, sondern Protest gegen den versuchten Börsengang der Deutschen Bahn geäußert. Aber er weist nebenbei darauf hin, welches Verkehrsmittel die beiden außer den eigenen Stelzen – manchmal mit Skiern dran – häufig benutzen. Bahnfahren ist übrigens eine besonders erlebnisreiche Form des Reisens – selbst beim Gang aufs Klo...
Das könnte übrigens eine etwas längere Story werden und mancher mag im Zeitalter der Kurzmitteilungen vor dem Lesen derselben zurückschrecken. Doch insbesondere all jene, die vorhaben mit dem Zug zu fahren, sollten sich diesem Erlebnis des Großstadtwanderers mit größter Aufmerksamkeit widmen. Schließlich müssen sie ja nicht in eine ähnlich haarsträubende Situation geraten. Dabei fängt alles ganz harmlos an – als simple Reise mit der Bahn von Cottbus nach Berlin, was ja normalerweise wenig aufregend zu sein pflegt. Diesmal aber ist vieles anders und vor allen Dingen neu.
Neu ist zunächst mal schon der Zug...
Nicht in gewohntem Rot, sondern gelb wie eine Butterblume gleitet er in den Bahnhof Cottbus. Um aber keinen allzu großen Bruch mit den rot gepinselten Vorgängerzügen zu riskieren, kommt er zwölf Minuten zu spät und die Türen gehen auch nicht sofort auf, sondern lassen erst mal ihre LED Sensoren fröhlich blinken. Nach fünf Minuten lässt das Hirn des Zuges die Passagiere gnädig einsteigen und der Großstadtwanderer vermisst sofort die gewohnt zerschlissene Atmosphäre. Doch nicht kaputte Sitze sind ja auch mal ganz angenehm und das Fehlen jenes latenten Geruchs nach etwas älterem Käse muss ja nicht gleich als Qualitätsminderung betrachtet werden.
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