Mein Freund Theodor W. Adorno – Gedanken Diskurs über ästhetische Rezeption
Jedes Menschenbild ist Ideologie, außer dem negativen
Ohnmachtsgefühle und Aggressivität, Konformismus und Asozialität schwankende Verhaltensweisen.
"Auschwitz beginnt überall dort, wo jemand einen Schlachthof ansieht und denkt: Sie sind nur Tiere."
Engagement ist vielfach nichts als Mangel an Talent oder an Anspannung, Nachlassen der Kraft.
Rat an Intellektuelle: lasse dich nicht vertreten.
Sesam öffne dich! Ich möchte hinaus.
„Das Hegelsche Motiv von der Kunst als Bewusstsein von Nöten hat über alles von ihm Absehbare hinaus sich bestätigt.“ (Adorno 1973:35)
Theodor W. Adornos Kunstkonzeption nimmt die zentrale Stellung in seinem gesamten Werk ein. Neben der Philosophie und Soziologie ist es vor allem die Literatur und Musik, mit der sich Adornos Denken ausgiebig befasst. In ihr sieht er den noch einzig möglichen Wegbereiter zu einer gerechteren Gesellschaft. Nur die Kunst sei in der Moderne noch in der Lage einen herrschaftsfreien Zustand tendenziell herzustellen, sich also gegen die subjektive Zweck-Mittel Rationalität des Nutzens und der Herrschaft zu stellen. „Das waren noch gute Zeiten, als eine Kritik der politischen Ökonomie dieser Gesellschaft geschrieben werden konnte, die sie bei ihrer eigenen Ratio nahm.“ (Adorno 1987:284)
Adorno richtet sich mit seinem Kunstkonzept gegen jegliche Praxis an sich, die, ebenso auf marxistischer Seite, nicht zum gelobten Telos, sondern zu Totalitarismus und Massenmord geführt habe. Jenseits jeglicher Ideologie versucht Adorno daher in der ästhetischen Rezeption einen möglichen Weg aus der von Herrschaft durchtränkten Gesellschaft zu finden.
Ähnlich wie Habermas, der aufbauend auf Adornos kritischer Philosophie einen Ausweg aus der Subjekt Objekt Trennung in der zwanglosen Kommunikation sieht (Habermas 1988:346), sind die avantgardistischen Kunstwerke Adorno zufolge die Kommunikationsinstanz die Subjekt und Objekt miteinander vermittelt, ohne dass das Objekt vom Subjekt unterdrückt wird. Naturbeherrschung ließe sich durch das Reflexivwerden der Vernunft überwinden.
Hier lässt sich Adorno als Erbe Hegels lesen, da dieser bereits in der modernen Dialektik einen Ausweg aus der Entzweiung zwischen Subjekt und Objekt, die die Moderne am stärksten durch Kant vertreten kennzeichnete, zu finden versucht (Habermas 1988:27). Allerdings steht Hegel durch das Konzept des begrifflichen Denkens in der Kritik Adornos, da dieses Denken identifizierend sei und so eben nicht aus den Aporien der Moderne, also der Verdinglichung der Objekte (Natur) geführt habe, sondern diese sogar radikalisierte (Wellmer 1990:137).
Adorno entwickelt eine eigene neomarxistische ästhetische Theorie, die sich vor allem gegen die traditionelle des deutschen Idealismus richtet. Er bezeichnet sie als „materialistisch-dialektische Ästhetik“, da sie nur im Verhältnis zu ihrem Anderen, der empirischen Realität, zu bestimmen und zumal als Prozess aufzufassen sei (Adorno 1973:12). Ebenfalls tendiere bürgerliche Kunst dazu den gesellschaftlichen Aspekt nach außen, also ins außergesellschaftliche, unkritische zu verlagern (Adorno 1973:334).
Vereinzelte Textstellen des „Endspiels“ von Samuel Beckett sollen in dieser Arbeit zu einem tieferen Verständnis Adornos Kunstauffassung führen. Da ihr Rahmen jedoch begrenzt ist, wird auf eine nähere Interpretation des Stückes verzichtet. Dies war Beckett, nebenbei bemerkt, selber zuwider. Eher dienen fragmentarische Textstellen dazu Adornos Thesen zu verdeutlichen.
3. Adornos Kritik der Kulturindustrie
Adornos dialektischem Denkmuster nach bestimmt die Kultur die Vermittlung zwischen Individuum und Gesellschaft, wobei vor allem die Bewusstseinsbildung der Subjekte von ihr beeinflusst oder sogar gesteuert wird (Adorno 1997b:163).
Das Charakteristikum des sich ausbildenden Spätkapitalismus der 40er Jahre sei es, alle Bereiche der Gesellschaft der Totalität des kapitalistischen Marktes zu unterwerfen (Adorno 1997b:157).
Zielte nach der ersten industriellen Revolution im 19.Jh. die Massenfertigung durch Maschinen noch auf Güter wie Eisenbahnen, Maschinen und Textilien ab (Fülberth 2005:149), war das spezifisch Neue der im Zuge der Fließbandproduktion des Fordismus durchgesetzten zweiten industriellen Revolution die maschinell erstellte Produktion von immateriellen Gütern der Kultur-, Nahrungsmittel- und Autoindustrie (Fülberth 2005:207f.). Die Einbeziehung immer neuer Bereiche der Produktion und Reproduktion in die kapitalistische Warenwirtschaft dient somit als Basis Adornos Analyse der Kunstwerke.
Der zentrale Begriff für die Analyse der Phänomene der Massenkultur, wie es anfangs noch hieß (Adorno 2003b:337), ist der der „Standardisierung“ (Adorno 2003a:142). Er bezeichnet die industrielle Massenproduktion von Kulturgütern, die, Adorno zufolge, nur noch als Tauschwert für den Markt existieren (Adorno 2003a:142). „Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit. Film, Radio, Magazine machen ein System aus.“ (Adorno 2003a:141) So ist „alle Massenkultur unterm Monopol […] identisch.“ (Adorno 2003a:141f.) Erst durch die fordistisch geprägte Warenproduktion seien den Gesellschaftsmitgliedern Kulturwaren als standardisierte Massengüter über den Markt zugänglich. Adorno versteht die bürgerliche Gesellschaft als von der monopolisierten „totalen Kapitalmacht“ (Adorno 2003a:141) gesteuert, wodurch alle Schichten und Milieus erfasst werden. Kritisches Bewusstsein werde durch die standardisierte Produktion der Konsumgüter ausgeschaltet. Adornos Auffassung zufolge richtet sich die Kulturwarenproduktion nicht nach Marktbedingungen, also etwa der Produktion der Waren nach der Konsumentennachfrage. Im Gegenteil, „Kulturindustrie ist willentliche Integration ihrer Abnehmer von oben.“ (Adorno 2003b:337) Das heißt, dass erst die Kulturindustrie die Bedürfnisse der Konsumenten forme. Es ist „der Zirkel von Manipulation und rückwirkendem Bedürfnis, in dem die Einheit des Systems immer dichter zusammenschießt“ (Adorno 2003a: 142), denn „die ganze Welt wird durch das Filter der Kulturindustrie geleitet“ (Adorno 2003a:147).
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