Johann Wolfgang von Goethe
Die Mitschuldigen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Johann Wolfgang von Goethe Die Mitschuldigen Dieses ebook wurde erstellt bei
Die Mitschuldigen Johann Wolfgang von Goethe Die Mitschuldigen Dieses ebook wurde erstellt bei
Personen. Personen. Alcest Sophie Söller Der Wirt
Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
Eilfter Auftritt
Zwölfter Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Funfzehenter Auftritt
Impressum neobooks
Alcest
Sophie
Söller
Der Wirt
Das Theater ist geteilt, der Hauptteil stellt das Zimmer Alcests, der kleinere einen Alkoven vor.
SÖLLER in einem Domino, den Hut auf, die Maske vorm Gesicht, ohne Schuhe, kömmt ganz leise zu einer Seitentüre herein, leuchtet vorsichtig mit einer Blendlaterne umher; da er sieht, daß alles still ist, kömmt er mit leisen Schritten hervor ans Theater, tut die Maske und den Hut ab und wischt sich das Gesicht.
Zum Leben braucht's nicht just, daß man so tapfer ist,
Man kömmt auch durch die Welt mit Schleichen und mit List.
Der eine geht euch hin, bewaffnet mit Pistolen,
Sich einen Sack voll Geld, vielleicht den Tod zu holen.
Und ruft: »Den Beutel her! Her! ohn euch viel zu sperrn!«
Mit so gelaßnem Blut, als spräch er: Prost, ihr Herrn!
Ein andrer zieht herum, mit zauberischen Händen
Und Volten, wie der Blitz, die Uhren zu entwenden;
Und wenn ihr's haben wollt, er sagt euch ins Gesicht:
»Ich stehle! Gebt wohl acht!« Er stiehlt; ihr seht es nicht.
Mich machte die Natur nun freilich viel geringer,
Ein allzu leichtes Herz und gar zu plumpe Finger
Gab mir die Stiefmama; das ist nun sehr betrübt
Für einen, der nichts hat und der doch alles liebt.
Verstünd ich mich nicht drauf, ein bißchen aufzupassen
Und die Gelegenheit beim Kragen anzufassen,
Der Durst verjagte mich von Wirtschaft, Frau und Haus.
Er gebt herum und sucht.
Ich kann so sachte gehn, vor mir läuft keine Maus.
Mein Schwiegervater meint, ich sei die Nacht zum Balle,
Das glaubt auch meine Frau, und ich betrüg sie alle.
Er findet die Schatulle auf dem Tisch und zieht Schlüssel aus der Tasche.
Habt Dank, ihr Dietriche! Ihr helft mir durch die Welt!
Durch euch erlang ich ihn, den großen Dietrich, Geld!
Indem er aufschließt.
Wie ist nicht alles still! Alcest ist nicht zu Hause;
Er schmaust, da ich ihm hier die schönen Taler schmause.
Die Schatulle geht auf.
Brav! Schön gemünzt! So viel! O das ist eine Lust!
Die Tasche schwillt von Geld, von Freuden meine Brust.
Wenn es nicht Angst ist.
Er horcht.
Still! Nein! Pfui, ihr feigen Glieder,
Was zittert ihr!
Er fährt zusammen.
Horch! Nichts!
Er macht die Schatulle zu.
Genug! Nun gut!
Er will gehn, erschrickt und steht still.
Schon wieder?
Es geht was auf dem Gang. Es geht doch sonst nicht um.
Der Teufel hat vielleicht sein Spiel; das Spiel wär dumm.
Ist's eine Katze? Nein, das geht nicht wie ein Kater.
Geschwind, es dreht am Schloß.
Er springt in den Alkoven und sieht durch die Vorhänge.
Behüt! mein Schwiegervater!
Der Wirt kömmt im Schlafrock, der Nachtmütze und Pantoffeln mit einem Wachsstock furchtsam zur Nebentüre herein.
Söller im Alkoven, horchend.
DER WIRT.
Es ist ein närrisch Ding um ein empfindlich Blut!
Es klopft, wenn man auch nur halbweg was Böses tut.
Dächt ich nicht aus dem Brief was Wichtiges zu holen!
Er steckt' ihn eilig ein. Er kam gewiß aus Polen.
Den, der was Neues liebt, plagt jeder Aufenthalt.
Das Neuste, das man hört, ist immer monatsalt.
In Strümpfen, wie ich bin, ritt ich wahrhaftig weiter
Als bis zum Tartar Cham, eh der verdammte Reuter
Von Altona hierher mit seinem Pferde kriecht,
Und wenn man's recht besieht, noch gar sein Stückchen lügt.
Er sucht überall.
Ich find ihn nicht, den Brief. Er kriegt' ihn doch gewißlich.
Vielleicht nahm er ihn mit! Das wäre mir verdrüßlich.
Er sucht.
SÖLLER im Alkoven.
Du guter alter Narr! Ich seh wohl, es hat dich
Der Diebs- und Zeitungsgott nicht halb so lieb wie mich.
DER WIRT.
Ich find ihn nicht.
Er erschrickt.
O Weh! Hör ich auch recht? Daneben
Im Zimmer –
Er horcht.
SÖLLER erschrocken.
Riecht er mich vielleicht?
DER WIRT.
Es knistert, eben
Als wär's ein Weiberschuh!
SÖLLER getrost.
Schuh! Nein, das bin ich nicht.
DER WIRT blast den Wachsstock aus.
Aus! Bleibe, wer da will! Geh auf!
Er kann das Schloß in der Eile nicht aufmachen und läßt darüber den Wachsstock fallen; endlich stößt er die Türe auf und läuft fort.
Sophie mit einem Lichte, kömmt zur Haupttüre herein.
Söller im Alkoven.
SÖLLER erstaunt.
Ein Weibsgesicht!
Fast so wie meine Frau. Ich hoffe nicht.
SOPHIE setzt das Licht auf den Tisch und kömmt hervor.
Ich bebe
Bei dem verwegnen Schritt.
SÖLLER mit Karikatur.
Sie ist's! so wahr ich lebe.
Adieu, du armer Kopf! Allein, gesetztenfalls,
Ich zeigte mich! Und dann! Ja, dann adieu mein Hals.
SOPHIE.
Ja, folgt der Liebe nur; mit freundlichen Gebärden
Lockt sie euch anfangs nach.
SÖLLER wie oben.
Ich möchte rasend werden!
Und darf nicht.
SOPHIE.
Doch wenn ihr einmal den Weg verliert,
So führt kein Irrlicht euch so schlimm, als sie euch führt.
SÖLLER.
Gar recht, dir wär ein Sumpf gesünder als das Zimmer.
SOPHIE.
Bisher ging's ziemlich schlimm, doch es wird täglich schlimmer.
Mein Mann macht's bald zu toll. Bisher gab's wohl Verdruß;
Doch jetzt treibt er's, daß ich ihn gar verachten muß.
SÖLLER.
O Hexe!
SOPHIE.
Meine Hand hat er, Alcest inzwischen
Besitzt, wie sonst, mein Herz.
SÖLLER.
Zu zaubern, Gift zu mischen
Ist nicht so schlimm.
SOPHIE.
Das Herz, das er zuerst entflammt,
Das erst durch ihn gefühlt, was Liebe sei.
SÖLLER.
Verdammt.
SOPHIE.
Kalt, spröde war dies Herz, eh es Alcest erweichte.
SÖLLER.
Ihr Männer! stündet ihr nur all einmal so Beichte!
SOPHIE.
Wie glücklich war ich sonst!
SÖLLER.
Sonst! Nun, das ist vorbei!
SOPHIE.
Wie liebte mich Alcest.
SÖLLER.
Pah! Das war Kinderei!
SOPHIE.
Das Schicksal trennt' uns bald, und, ach, für meine Sünden
Mußt ich mich, welch ein Muß! mit einem Vieh verbinden.
SÖLLER.
Ich, Vieh? Jawohl ein Vieh, von dem gehörnten Vieh!
SOPHIE.
Was seh ich!
SÖLLER.
Was Madam?
SOPHIE.
Des Vaters Wachsstock! Wie
Kam der hierher? Vielleicht! Da werd ich fliehen müssen.
Vielleicht belauscht er uns.
SÖLLER.
Oh! setz ihr zu, Gewissen!
SOPHIE.
Nur das begreif ich nicht, wie er ihn hier verlor.
SÖLLER.
Sie scheut den Vater nicht; mal ihr den Teufel vor.
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