Anna Kosak - Juniluft

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Lily und Camilla, seit Grundschulzeiten befreundet, sind beste Freundinnen. Die eine erfolgreiche Schauspielerin, die andere in leitender Position im Museum, stehen sie nun auf Andrés Beerdigung. André, Lilys Freund zu Schulzeiten, der damals spurlos verschwunden ist. Jetzt wurde seine Leiche gefunden und die Polizei beginnt zu ermitteln. Bei den Frauen kommen die Erinnerungen an damals hoch und es sind keine guten.

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Anna Kosak

Juniluft

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Inhaltsverzeichnis Titel Anna Kosak Juniluft Dieses ebook wurde erstellt bei - фото 1

Inhaltsverzeichnis

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Impressum neobooks

Kapitel 1

Lily schwitzte. Als sie sich mit der Hand über die Schläfe wischte, schimmerten Schweißperlen auf ihrer Fingerspitze. Verstohlen warf sie einen Blick auf Camilla. Lily beneidete ihre Freundin darum, stets erfrischt und sauber zu erscheinen, als kenne sie das Wort Hitze oder Schweiß noch nicht einmal. Ein leichter Duft ging von ihr aus, ähnlich dem frisch gewaschener Wäsche. Lily zupfte verstohlen an ihrer Bluse. Ob man wohl riechen konnte, wie heiß ihr war?

Camilla bemerkte die Unruhe ihrer Freundin und drückte sacht deren Hand. Lily seufzte innerlich. Selbst Camillas Hand fühlte sich angenehm kühl an.

Der Pfarrer redete immer noch. Trotz der Mittagssonne, die auf seine Glatze schien, hielt er seine Rede und es schien nicht, als ob er bald zum Ende kommen würde.

Vor Lilys Augen begannen die Konturen zu zerfließen. Flirrend stand die Hitze über dem Friedhof und ließ die dunkle Figur des Pfarrers verschwimmen. Sie konnte einen Schweißtropfen spüren, der sich zwischen ihren Brüsten bildete und dann das Dekolleté hinunter lief. Sehr viel länger würde sie das nicht durchhalten.

„Milla?“, wisperte sie ihr zu. „Ich kann langsam nicht mehr!“

„Es ist gleich vorbei“, beruhigte Camilla sie. „Da, der Pfarrer spricht den abschließenden Segensspruch.“

Tatsächlich bewegten sich jetzt die Leute vor ihnen und traten einer nach dem anderen an das Grab.

„Milla, lass uns gehen!“

„Was?“

„Ich kann nicht. Ich halte das nicht aus, vor ans Grab zu gehen! Bitte!“ Lilys Tonfall hatte etwas Flehendes angenommen. „Lass uns jetzt gehen!“

Camilla sah die aufgerissenen Augen ihrer besten Freundin, den feinen Schweißfilm, der sich auf der Oberlippe gebildet hatte, die ganze Unruhe, die sie ausströmte. Camilla nickte.

„Also gut, lass uns gehen.“

Georg Jasper beobachtete die zwei Frauen, wie sie sich von der Gruppe entfernten, und langsam den Weg hinab gingen, vom Grab weg und auf den Ausgang zu. Die eine, mit den lockigen blonden Haaren und dem teuer aussehenden Kostüm, ergriff den Arm ihrer Begleiterin und schien sich regelrecht an ihr festzuhalten.

Als sie sich ins Auto setzte, war es immer noch warm. Der Mai war so gut wie vorbei und legte die Messlatte in Sachen Sommerhitze für seine Nachfolger sehr hoch. Camilla fuhr die Fenster herunter und genoss den kühlen Fahrtwind. Als sie das Ortschild passierte und Richtung Autobahn einbog, merkte sie, wie sehr ihr Herz immer noch raste. Die Anspannung fiel erst langsam von ihr ab. Die selbstsichere und distanzierte Fassade, die sie nach außen trug und mit den Jahren perfektioniert hatte, bröckelte jetzt. Mit jedem Meter, den sie zwischen sich und ihre Heimatgemeinde brachte, beruhigte sie sich mehr.

Lily trat auf den Balkon hinaus und zündete sich eine Zigarette an. Es war eine von Camillas dünnen Tabakstängeln, die mehr einem Accessoire als einer Zigarette glichen. Während sie rauchte, blickte sie auf das Feld, das sich hinter dem Haus ausbreitete, und lauschte den abendlichen Tiergeräuschen und dem fernen Summen der Autobahn.

Camilla war jetzt sicherlich bald zu Hause. Wie gerne würde sie, Lily, jetzt auch in die kleine Zwei-Zimmer-Wohnung fahren, die sie seit einem Jahr bewohnte. Dort hätte sie sich ein Glas Wein gegönnt, eine Kleinigkeit gegessen und diesen Tag dann aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Tatsächlich würde sie aber die Nacht bei ihrer Mutter verbringen, im kleinen Gästezimmer am Ende des Flurs, und erst morgen Mittag abreisen.

Lily drückte die Zigarette aus und zündete sich noch eine an. Diese Dinger waren wirklich schwach, kaum zu vergleichen mit denen, die sie sonst rauchte.

Im Haus konnte sie ihre Mutter rumoren hören. Trotz ihrer siebzig Jahre war Shannon Delevigne noch sehr rüstig und, wie ihr Hausarzt zu sagen pflegte, kerngesund. Lily erinnerte sich noch an die Zeit kurz nach dem Tod ihres Vaters: Die ersten zwei Tage nach seinem tödlichen Schlaganfall hatte Shannon Delevigne nur im Bett verbracht. Am dritten Tag war sie aufgestanden, hatte sich geduscht und angezogen, ihre fünfzehnjährige Tochter ins Auto gepackt und war mit ihr ans Meer gefahren.

Von plötzlicher Zuneigung erfüllt, drückte Lily die Zigarette aus und ging wieder hinein. Fast freute sie sich auf den Abend zu Hause.

Kapitel 2

„Wir würden gerne nochmal den zwölften Juni rekonstruieren“, begann Georg Jasper. „Bitte schildern Sie uns den Tag aus Ihrer Sicht.“

„Das habe ich doch bereits hunderte Male getan!“

„Bitte, Frau Delevigne.“

Lily seufzte und verschränkte die Hände im Schoß. Der Kommissar wartete.

„Also. Ich bin um sechzehn Uhr, also eher sechzehnuhrfünfzehn, von der Schule nach Hause gekommen. Dann habe ich auf André gewartet, der mich gegen… ja, gegen siebzehn Uhr abholen wollte. Er kam aber nicht.“ Sie sprach ruhig, die Finger hatte sie jedoch immer noch im Schoß verkrampft. „André tauchte also nicht auf und hinterhertelefonieren wollte ich ihm aus Stolz auch nicht. Da das Wetter immer schlechter wurde, bin ich daheim geblieben.“

„Sie haben also den ganzen Abend das Haus nicht mehr verlassen!? Sind auch nicht zum Wigands Fels hoch, wo er vielleicht auf Sie hätte warten können?“

„Nein“, antwortete sie entschieden. „Meine Mutter kann das bezeugen.“

Als sie aus der Mittagspause zurückkam, stapelten sich auf Camillas Schreibtisch bereits die Notizen ihrer Assistentin. Rasch sah sie alles durch und noch bevor sie sich am Computer wieder angemeldet hatte, kam Laurent herein.

Laurent Gainsbourg war der Museumleiter und durch die nun bereits zweijährige Zusammenarbeit hatte Camilla eine große Abneigung gegen ihn entwickelt.

„Na, Kollegin?“ Er grinste breit und ließ sich in den Stuhl vor ihrem Schreibtisch fallen. „Ausgiebig Mittagspause gemacht?“

Sie antwortete kühl:

„Ich wüsste nicht, was Sie meine Mittagspause angeht.“

Er grinste immer noch und lümmelte sich tiefer in den Stuhl. Er machte Camilla aggressiv. Etwas zu heftig haute sie ihr Passwort in die Tasten.

„Womit kann ich Ihnen dienen, Laurent?“

„Oh, da fiele mir eine ganze Menge ein“, sagte er anzüglich, wurde dann jedoch geschäftlich und beugte sich vor. „Hat Heidegger sich bereits zur zweiten Statue geäußert?“

„Sie meinen die Muse Thalia ?“ Camilla kontrollierte sicherheitshalber ihre E-Mails. „Nein, bisher noch nicht. Hat er Ihnen auch nichts geschickt?“

„Kein Sterbenswörtchen.“

„Mist.“

Laurent zählte an den Fingern auf:

„Wir brauchen die Zusage für die Muse, wir müssen den Transport der anderen Statue noch klären und die Verträge sind auch noch nicht fertig! Plus“, seine finstere Mine hellte sich auf, „wir müssen natürlich noch Vasen begutachten!“

Camilla runzelte die Stirn.

„Ich dachte, das hätte Lydia bereits getan?“

Lydia Koch war eine der Gutachterinnen des Museums. Eigentlich hatte sie die für die Ausstellung wichtigen Vasen untersuchen sollen, welche Heidegger, ein privater Sammler, dem Museum zur Verfügung stellte.

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