In diesem Moment kam der Kellner mit ihren Sandwiches.
Und Rileys Handy klingelte.
Sie überlegte kurz, ob sie den Anruf ignorieren sollte, doch dann sah sie, dass er von ihrem Boss stammte, dem Teamleiter Brent Meredith.
Als sie den Anruf entgegennahm, kam Meredith wie immer direkt zum Punkt.
„Sind Sie dazu bereit einen neuen Fall zu übernehmen, Agentin Paige?“
Riley musste über die Frage lächeln. Brent Meredith „nein“ zu sagen war keine wirkliche Option.
„Ich bin bereit“, sagte sie.
„Gut. Dann kommen Sie sofort in mein Büro.“
Ohne ein weiteres Wort beendete Meredith den Anruf.
Bill sagte: „Ich nehme an, dass das Meredith war, gesprächig wie immer.“
Riley lachte und sagte: „Ja, manchmal hört er einfach nicht auf zu quatschen. Naja, ich nehme an wir werden gebraucht – und wie immer jetzt sofort. Tut mir leid um das Mittagessen.“
„Wir können es auf dem Weg essen“, sagte Bill. „Das ist uns nicht neu.“
Bill winkte den Kellner heran und bat ihn, ihre Sandwiches einzupacken und die Rechnung zu bringen.
Er sagte: „Was meinst du, wie oft wurden wir bereits während des Mittagessens irgendwo hinbestellt?“
Riley kicherte und sagte: „Ich nehme an, einige Dinge ändern sich nie.“
Bill zahlte die Rechnung und, mit ihrem Mittagessen in der Hand, gingen sie hinaus zu seinem Auto.
Als sie das Gebäude der Verhaltensanalyse betraten, dachte Bill immer wieder an Rileys Worte, als ihr erster Versuch eines Dates zu so einem abrupten Ende gekommen war.
„Ich nehme an, einige Dinge ändern sich nie.“
Bill fand, dass es beinahe komisch war, wie dieser Anruf ihr Gespräch unterbrochen hatte… genau wie so oft zuvor.
Sie hatten eilig ihr Essen einpacken lassen und waren zum Auto geeilt… genau wie so oft zuvor.
Nun eilten sie durch einen vertrauten Flur zu Merediths Büro. Der heutige Tag war allzu typisch was die Unvorhersehbarkeit anging, mit der er und Riley seit vielen Jahren lebten.
Und doch wusste er, dass der Kuss, der vor einigen Wochen zwischen ihnen passiert war, alles zwischen ihnen verändert hatte. Es war ihm klar, dass auch Riley das wusste. Er wünschte sich wirklich, dass sie mehr Zeit gehabt hätten, um über alles zu reden. Früher oder später würden sie diese Veränderungen akzeptieren müssen.
Früher wäre besser.
Doch nun war offensichtlich nicht die Zeit dafür. Sie hatten fast nicht gesprochen während der Fahrt hierher. Sie waren damit beschäftigt gewesen, die Sandwiches zu essen, die sie aus dem Restaurant mitgenommen hatten, doch Bill merkte auch, dass Rileys Gedanken bereits bei dem Fall waren, der auf sie zukam.
Das sollten meine auch sein , dachte er.
Er fragte sich – würde es nun immer so sein? Würde ihre gemeinsame Arbeit immer wichtiger sein als alles andere, was zwischen ihnen passieren könnte?
Als sie Merediths Büro betraten, schaute der gewaltige Abteilungsleiter, der schwarze, kantige Gesichtszüge hatte, von seinem Schreibtisch auf. Sein Gesichtsausdruck war streng, als er bemerkte: „Ich habe nicht erwartet, Sie hier zu sehen, Agent Jeffreys.“
Bills machte vor Überraschung große Augen. Er konnte sehen, dass auch Riley verwundert war.
Bill stammelte während er und Riley vor Merediths Schreibtisch Platz nahmen: „Naja – Agentin Paige sagte, dass… Sie wegen eines neuen Falls angerufen haben und ich hatte einfach angenommen…“
Meredith zuckte mit den Schultern. „Ja, ich habe einen neuen Fall für sie . Ich habe nicht nach Ihnen gefragt. Tatsächlich werden Sie für diesen Fall nicht gebraucht. Agentin Paige wird mit einer anderen Partnerin zusammenarbeiten.“
Bill war alarmiert.
Was geht hier vor? fragte er sich.
Hatte Meredith bereits irgendwie begriffen, dass zwischen ihm und Riley irgendetwas los war, noch bevor die beiden es selbst klären konnten? Er konnte sich nicht vorstellen wie, doch Meredith hatte eine beinahe gruselige Art, Einzelheiten über seine Agenten zu wissen.
Will er unser Team auflösen? fragte Bill sich.
„Ich versuche bloß eine neue Agentin einzuarbeiten“, erklärte Meredith. „Ein Frischling. Ich habe mir gedacht, dass es eine gute Erfahrung für sie sein würde, mit Agentin Paige zusammenzuarbeiten, zumindest dieses eine Mal.“
Eine neue Agentin? dachte Bill.
Er war erleichtert, dass sich die Regelung nicht nach etwas Langfristigem anhörte, spürte aber auch, wie sich Besorgnis bei ihm einschlich. Ihre Zusammenarbeit mit den letzten zwei Anfängerinnen war schlecht gelaufen. Er konnte es nicht ertragen auch nur an Lucy Vargas zu denken, die seine Bewunderung erlangt hatte, die aber in einer schrecklichen Schießerei ums Leben gekommen war. Die letzte neue Rekrutin, Jenn Roston, hatte andere Probleme mitgebracht.
Bill konnte nicht bestreiten, dass Jenn eine brillante und vielversprechende junge Agentin gewesen war, doch sie war nicht einmal komplett angekommen, als ihre Vergangenheit sie anscheinend eingeholt hatte. Schlimmer noch, Bill wusste genau, dass Riley Geheimnisse über Jenns Vergangenheit wusste, die sie mit ihm nicht hatte teilen können – Geheimnisse, die zu Jenns mysteriösem Verschwinden vor ein paar Wochen geführt hatten.
Er hatte versucht sich einzureden, dass was auch immer diese Geheimnisse waren, die Jenn und Riley teilten, sie ihn nichts angingen. Doch er hatte es nicht geschafft. Er erinnerte sich daran, wie noch vor Kurzem Riley und er sich beide eingestanden hatten, dass sie einander näher standen, als sie es jemals ihren Ehegatten gegenüber getan hatten. Es gab wirklich nichts Ungewöhnliches daran. So musste es auch sein unter Partnern.
Doch Jenn hatte sich Riley beträchtlich mehr geöffnet, als sie es ihm gegenüber getan hatte und das hatte dazu geführt, dass er sich ausgeschlossen gefühlt hatte – und sogar etwas verbittert. Beinahe zwei Jahrzehnte lang hatten Bill und Riley voreinander wenige Geheimnisse gehegt und hatten einander, wenn überhaupt, nur selten direkt angelogen. Deshalb gefiel es Bill nicht, dass Riley Geheimnisse hütete die Jenn betrafen.
Würde dasselbe erneut mit einer neuen jungen Rekrutin geschehen?
Ich hoffe nicht , dachte er. Die Dinge waren auch so schon kompliziert genug zwischen Riley und ihm.
Meredith warf einen Blick auf seine Uhr. „Ich habe sie gebeten, dazu zu kommen. Sie sollte jeden Moment hier sein. Ihr Name ist Ann Marie Esmer, und sie ist denkbar grün hinter den Ohren. Sie kommt gerade von der Academy und hat noch nie an einem echten Fall gearbeitet.“
Riley legte neugierig den Kopf schief.
„Sie meinen, Sie hat überhaupt noch nie im Polizeidienst gearbeitet?“
„Genau“, sagte Meredith.
„Wie ist sie dann überhaupt an die Academy gekommen?“, fragte Riley.
Meredith faltete die Finger, drehte sich leicht in seinem Bürosessel hin und her und lächelte.
„Genau wie Sie, Agentin Paige. Sie hat als Zivilistin einen Fall gelöst, gleich frisch vom College. Das FBI ist auf sie aufmerksam geworden und die Voraussetzung der Polizeiarbeit wurde für sie fallen gelassen. Genau wie sie, hat sie sich gut im Sommerpraktikumsprogramm gemacht und dann auch an der Academy. Also geben wir ihr eine Chance hier an der Verhaltensanalyse. Mir wurde gesagt, sie zeigt großes Versprechen.“
Bill spürte ein neugieriges Kribbeln. Er wusste, dass Riley von ihrem Mentor, Jake Crivaro rekrutiert worden war, nachdem sie eine Flut von Morden an dem College, an dem sie studierte, gelöst hatte. Genau wie die neue Agentin, hatte Riley sich ausgezeichnet im Sommerpraktikum und später an der Academy gemacht.
Wird diese Kleine eine jüngere Version von Riley sein? fragte er sich.
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