»Ja! Zwei Häuser weiter rechts.«
Kathleen nickte und überraschte Chloe mit einer Umarmung. Chloe erwiderte die Umarmung und war ziemlich sicher, dass die Kathleen aus ihren High-School-Tagen nicht der Typ gewesen war, der gern Leute umarmte. Sie beobachtete, wie ihre alte (und neue) Freundin Steven zuwinkte, als sie wieder auf den Bürgersteig entlanglief.
Steven kam die Verandatreppe hoch und trug die letzten beiden Kisten. Chloe nahm ihm die obere ab und sie schafften sie ins Wohnzimmer. Der Raum war ein Wirrwarr aus Kisten, Behältern und Koffern.
»Tut mir leid«, sagte Steven. »Ich wusste nicht, ob das ein willkommener Besucher sein würde oder nicht.«
»Nein, schon gut. Es war seltsam, aber gut.«
»Sie sagte, sie sei eine Freundin aus der High-School?«
»Ja. Und jetzt sind wir hier, leben nur zwei Häuser voneinander entfernt. Sie schien wirklich sehr nett zu sein. Sie hat uns für dieses Wochenende zu einem Straßenfest eingeladen.«
»Klingt gut.«
»Sie kennt auch Danielle aus der High-School. Ich glaube, ich werde sie auch zu dem Fest einladen.«
Steven fing an, eine der Kisten zu öffnen und seufzte. »Chloe, wir sind noch nicht mal einen ganzen Tag hier. Können wir nicht noch etwas warten, bevor wir deine Schwester in unser Leben einladen?«
»Können wir«, sagte sie. »Das Straßenfest ist erst in drei Tagen.«
»Du weißt, was ich meine. Danielle neigt dazu, Dinge schwieriger zu machen, als sie es sein müssten.«
Chloe wusste, was er meinte. Steven hatte Danielle viermal getroffen und jedes dieser Zusammentreffen war unangenehm – und keiner von ihnen hatte viel zu sagen gehabt. Danielle hatte eine Reihe von Problemen, die es allesamt schwierig machten, sie mit Menschen zusammenzubringen, die ihr fremd waren. Also nahm sie an, dass Steven recht hatte. Warum sie zu einem Straßenfest einladen, wo sie niemanden kannte?
Aber die Antwort war einfach: Weil sie meine Schwester ist. Sie war in den letzten Jahren allein und verletzlich gewesen und, so lahm es auch klingen mag, sie braucht mich.
Ein schnelles Aufblitzen des Bildes von ihnen beiden auf der Vordertreppe ihres alten Hauses raste ihr wie ein Wüstenwind durch den Kopf.
»Du wusstest, dass ich sie irgendwann treffen würde«, sagte Chloe. »Ich kann nicht in derselben Stadt leben und sie weiterhin aus meinem Leben ausschließen.«
Steven nickte und kam zu ihr. »Ich weiß, ich weiß«, sagte er. »Aber ein Mann darf doch noch Träume haben.«
Sie wusste, dass der Kommentar ein wenig sarkastisch gemeint war, aber sie erkannte auch den scherzhaften Ton darin. Er gab nach und wollte nicht zulassen, dass eine Diskussion über ihre Schwester den Umzugstag für sie ruinierte.
»Es könnte gut für sie sein«, sagte Chloe. »Rauskommen und Kontakte knüpfen. Ich denke, ich kann sie da herausholen, wenn ich so etwas wie eine feste Größe in ihrem Leben werden kann.«
Steven kannte die komplexe Geschichte zwischen den beiden Schwestern. Und obwohl er kein Geheimnis daraus machte, Danielle nicht besonders zu mögen, hatte er Chloe immer liebevoll unterstützt und ihre Sorge um ihre Schwester verstanden.
»Dann tu, was du für das Beste für sie hältst«, sagte er. »Und nachdem du sie angerufen hast, hilf mir, das Bett in unserem Schlafzimmer aufzustellen. Ich habe später noch etwas damit vor.«
»Oh, hast du das?«
»Ja. Dieser ganze Umzug hat mich völlig ausgelaugt. Ich bin erschöpft, ich werde so tief schlafen … aber vorher wird es heiß hergehen.«
Sie hielten beide inne und fanden ihren Weg in die Arme des anderen. Sie teilten einen langen Kuss, der nahelegte, dass sie das Bett in ihrer ersten Nacht in ihrem neuen Zuhause gut gebrauchen könnten. Aber vorher gab es noch Berge von Kisten zum Auspacken.
Noch dazu einen möglicherweise unerfreulichen Anruf bei ihrer Schwester.
Es war ein Gedanke, der sie mit ebenso viel Freude wie Besorgnis erfüllte.
Selbst als ihre Zwillingsschwester war Chloe nie sicher, was sie von Danielle zu erwarten hatte. Und der Gedanke daran, wieder in Pinecrest zu sein, machte sie bedauerlicherweise sicher, dass die Dinge mit Danielle wahrscheinlich nur noch schlimmer geworden waren.
Danielle Fine nahm sich eine NoDoz, schluckte die Aufputschpille mit einer warmen Cola hinunter, öffnete dann ihre Unterwäscheschublade und durchwühlte sie auf der rechten Seite nach den nuttigsten Teilen, die sie finden konnte.
Danielle dachte dabei an Martin. Sie waren jetzt seit etwa sechs Wochen zusammen. Und während beide beschlossen hatten, es langsam angehen zu lassen, hatte Danielle die Geduld verloren. Sie hatte entschieden, dass sie sich ihm heute Abend an den Hals werfen würde. Jedes Mal, wenn sie sich sahen, fühlte sie sich wie ein dummer Teenager, der nicht wusste, was er tat.
Sie wusste, was sie wollte. Und sie war sich ziemlich sicher, dass es Martin genauso ging. Am Ende der Nacht würde sie es mit Sicherheit wissen.
Sie wählte ein schwarzes Höschen aus Spitze, das die Vorderseite kaum bedeckte und hinten praktisch nicht existierte. Sie dachte darüber nach, welchen BH sie tragen sollte, entschied sich aber dafür, überhaupt keinen zu tragen. Martin und sie waren keine Mode-Junkies und außerdem wusste sie, dass sie nicht gerade viel Busen hatte. Selbst der teuerste BH auf der Welt würde ihr nicht helfen können. Außerdem … Martin hatte ihr gesagt, dass er es mochte, wie ihre Brüste aussahen, wenn sich ihre Formen durch ein T-Shirt abzeichneten.
Sie wollten sich zeitig treffen und ein frühes Abendessen einnehmen, um es rechtzeitig zu dem Film um 18 Uhr 30 zu schaffen. Die bloße Tatsache, dass sie zum Abendessen und Kino verabredet waren und nicht zu billigen Drinks und einer Fahrt zurück zu seinem Haus für eine peinliche Rummacherei, sprach für ihn. Sie fragte sich, ob Martin der Typ war, der sich gerne wie ein Gentleman verhielt.
Sechs Wochen mit dem Kerl … du solltest diese Art von Scheiße schon kennen, dachte sie, als sie in ihr Höschen schlüpfte.
Sie zog sich vor dem durchgehenden Spiegel an ihrer Schlafzimmerwand an. Sie probierte ein paar Blusen an, bevor sie sich entschied, es entspannt anzugehen. Sie entschied sich für ein schwarzes, etwas enges T-Shirt und eine sehr einfache Jeans. Sie war nicht die Sorte Mädchen, die einen Haufen Kleider oder Röcke besaß. Normalerweise zog sie das Erste an, was ihr morgens in die Hände fiel. Sie wusste, dass sie mit dem guten Aussehen ihrer Mutter gesegnet war. Da sie auch eine makellose Haut hatte, verzichtete sie meist auch auf viel Make-up. Ihre gefärbten schwarzen Haare und intensiven braunen Augen komplettierten ihr Äußeres; im Handumdrehen konnte sie die Verwandlung von unschuldig und süß zu aggressiv sexy machen. Das war einer der Gründe, warum sie sich nie wirklich um ihre kleinen Brüste gekümmert hatte.
Nach einem kurzen Blick in den Spiegel, bei dem sie die gleiche Figur, das gleiche Gesicht und das gleiche Band-T-Shirt sah, wie schon zu Teenager-Zeiten, war Danielle bereit, sich auf den Weg zu machen, um Martin zu treffen. Er war eine Art Greaseball, nur nicht von der Sorte, die in Autowerkstätten oder auf Rennstrecken herumhing. Er hatte früher mal als Amateur-Boxer „herumgespielt“, wie er es ausdrückte, und besaß den Körper, um sie das glauben zu machen (ein weiterer Grund, warum sie nicht mehr länger warten wollte) und arbeitete derzeit als freiberuflicher IT-Spezialist. Aber wie sie nahm er das Leben nicht allzu ernst und genoss es, eine Menge zu trinken. Bisher schienen sie perfekt zusammen zu passen.
Aber trotzdem, sechs Wochen ohne Sex. Sie fühlte eine Menge Druck. Was, wenn er sich weigerte? Was, wenn er es wirklich langsam angehen wollte und sie einfach nicht warten konnte?
Seufzend ging sie zum Kühlschrank. Um ihre Nerven zu beruhigen, schnappte sie sich ein Guinness aus dem Kühlschrank, öffnete den Verschluss und nahm einen Schluck. Ihr fiel ein, dass sich Alkohol und ihr NoDoz vielleicht nicht so gut vertrugen, aber es war ihr egal. Sie würde ihrem Körper sicherlich noch mehr zumuten.
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