Ben Bova - Asteroidenfeuer

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Die nicht allzu ferne Zukunft: Martin Humphries, Erbe des milliardenschweren Humphries Trust, wähnt sich auf der Höhe seiner Macht. Er lebt in einer luxuriösen Idylle auf dem Mond, die er zu einer uneinnehmbaren Festung ausgebaut hat, und ein Asteroid nach dem anderen fällt ihm zu, so dass er seine Macht und sein Monopol in der Raumfahrt immer weiter ausbauen kann. Seinen Rivalen Lars Fuchs hat er nicht nur ausgeschaltet, sondern auch gedemütigt, indem er ihm seine Frau Amanda genommen und geheiratet hat. Sie bringt den ersehnten Sohn und Erben zur Welt. Doch noch immer genügt ihm das nicht: Er will Lars Fuchs beseitigt haben und hetzt einen bezahlten Killer auf ihn, der sich im Asteroidengürtel auf die Lauer legt. Aber Humphries ahnt nicht, dass ihm längst ein viel gefährlicherer Gegner erwachsen ist …
Mit diesem Buch beendet Ben Bova die faszinierende Geschichte, die mit »Der Asteroidenkrieg« begann und in »Asteroidensturm« fortgesetzt wurde.

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Ben Bova

Asteroidefeuer

Im Krieg ist alles ganz einfach, doch selbst die einfachste Sache ist schwierig … Krieg ist das Reich der Unsicherheit: Drei Viertel aller Dinge, die Kriegshandlungen zugrunde liegen, sind in den Nebel einer größeren oder geringeren Wahrscheinlichkeit gehüllt.

Karl von Clausewitz Vom Kriege

Zur Erinnerung an Jay Gould:

Wissenschaftler, Schriftsteller, Baseball-Fan und eine Inspiration für alle denkenden Menschen.

Asteroid 67-046

»Ich war ein Soldat«, sagte er. »Nun bin ich ein Priester. Du kannst mich Dorn nennen.«

Elverda Apacheta vermochte den Blick nicht von ihm zu wenden. Sie hatte zuvor schon Cyborgs gesehen, gewiss — doch diese … Person schien indes mehr Maschine als Mensch zu sein. Sie verspürte einen Anflug von Verachtung. Wie konnte ein menschliches Wesen nur zulassen, dass sein Körper derart verunstaltet wurde?

Er war auch nicht sehr groß; Elverda überragte ihn um ein paar Zentimeter. Er hatte aber breite Schultern und einen dicken, stämmigen Körper. Die linke Gesichtshälfte bestand aus graviertem Metall, genauso wie die gesamte Oberseite des Kopfes: Es sah aus, als trage er eine Badekappe in Form eines hauchdünnen, flexiblen Stahlstichs.

Dorns linke Hand war eine Prothese. Er hatte auch nicht versucht, das zu kaschieren. Wie viel von ihm war unterm groben Stoff des schäbigen Gewands und der fadenscheinigen Hose wohl noch mechanische und elektrische Maschinerie? In krassem Gegensatz zur zerlumpten Kleidung standen indes die auf Hochglanz polierten Schaftstiefel.

»Ein Priester?«, fragte Martin Humphries. »Von welcher Kirche? Von welchem Orden?«

Die Hälfte von Dorns Lippen, die noch beweglich war, kräuselte sich leicht. Elverda vermochte nicht zu sagen, ob es sich nun um ein freundliches oder spöttisches Lächeln handelte.

»Ich werde Sie in Ihre Unterkünfe führen«, sagte Dorn. Seine Stimme war ein leises Grollen, als ob es aus dem Leib eines großen Tiers käme. Sie hallte schwach von den grob behauenen Felswänden wider.

Humphries wirkte im ersten Moment überrascht. Er war es nämlich nicht gewohnt, dass seine Fragen ignoriert wurden. Elverda musterte sein Gesicht. Humphries sah so gut aus, wie Regenerationstherapien und kosmetische Nanomaschinen es eben zu bewerkstelligen vermochten: Er hatte fein ziselierte Gesichtszüge, eine straffe Haltung, schlanke Gliedmaßen, einen athletisch flachen Bauch. Doch seine kalten, grauen Augen waren hart und gnadenlos. Und Elverda glaubte auch einen schwachen Verwesungsgeruch bei ihm wahrzunehmen. Als ob er innerlich schon tot wäre und die Fäulnis bereits eingesetzt hätte.

Die Spannung zwischen den beiden Männern schien Elverda die Energie aus dem alten Körper zu saugen. »Es war eine lange Reise«, sagte sie. »Ich bin wirklich müde. Ich würde mich über eine heiße Dusche und ausgiebigen Schlaff freuen.«

»Noch bevor Sie es gesehen haben?«, fragte Humphries unwirsch.

»Wir haben über eine Woche gebraucht, um hierher zu gelangen. Da kommt es auf ein paar Stunden mehr oder weniger auch nicht mehr an.« Sie wunderte sich selbst über ihre Worte. Früher hätte sie vor Aufregung kaum an sich zu halten vermocht. Bist du mit den Jahren etwa ruhiger geworden? Nein, wurde sie sich bewusst. Nur schwächer.

»Für mich aber schon!.«, sagte Humphries. »Bringen Sie mich hin«, wandte er sich an Dorn. »Ich habe lang genug gewartet. Ich will es jetzt sehen.«

Doms Augen — das eine so braun wie Elverdas Augen, das andere eine rot glühende Linse — musterten Humphries für eine Weile.

»Nun?'«, fragte Humphries nachdrücklich.

»Es tut mir Leid, Sir, aber die Kammer ist für die nächsten zwölf Stunden gesperrt. Es ist unmöglich …«

»Gesperrt? Von wem? Auf wessen Befehl?«

»Die Kammer hat eine Zeitsteuerung. Die Schöpfer des Artefakts haben auch die Steuerung installiert.«

»Davon hat mich niemand unterrichtet«, sagte Humphries.

»Zu Ihren Unterkünften geht es den Gang entlang«, erwiderte Dorn.

Er drehte sich beinah wie ein massiver Metallblock; Schultern und Hüften schienen starr miteinander verbunden, und der Kopf saß wie arretiert auf den breiten Schultern. Dann marschierte er den zentralen Korridor entlang. Elverda ging neben seiner metallischen Hälfte; sie ärgerte sich noch immer über seine Selbstentweihung. Und doch sagte sie sich wider Willen, was für eine Herausforderung es wäre, ihn zu modellieren. Wenn ich jünger wäre, sagte sie sich. Wenn ich dem Tod nicht schon so nah wäre. Mensch und Maschine in einer exotischen, kraftvollen Gestalt vereint.

Humphries schritt an Doms anderer Seite einher; sein Gesicht war vor kaum unterdrücktem Zorn gerötet.

Sie gingen schweigend den Gang entlang, wobei Humphries' bleibeschwerte Schuhe auf dem unebenen Felsboden klackten… Doms Stiefel verursachten kaum ein Geräusch. Selbst wenn er zur Hälfte eine Maschine ist, sagte Elverda, bewegt er sich wie ein Panther — wenn er sich erst einmal in Bewegung gesetzt hat.

Die Gravitation des Asteroiden war so gering, dass Humphries das beschwerte Schuhwerk brauchte, um sich nicht wie ein Hampelmann zu bewegen. Elverda, die einen Großteil ihres langen Lebens in Niedergravitations-Umgebungen verbracht hatte, fühlte sich hier jedoch wie zu Hause. Der Korridor, durch den sie gingen, war eigentlich ein Tunnel — schattig und geheimnisvoll —, oder vielleicht auch ein Schlot in diesem metallischen Himmelskörper, durch den vor Äonen Gase entwichen waren, als der Asteroid sich noch im halbfesten Zustand befunden hatte. Doch nun war er kalt — so kalt, dass Elverda fröstelte. Die Gesteinsdecke war so niedrig, dass sie sich instinktiv beinahe geduckt hätte, obwohl der verstandesmäßige Teil des Bewusstseins ihr sagte, dass das nicht nötig war.

Bald wurden die Wände jedoch glatt und die Decke höher. Menschen hatten den Tunnel erweitert und ihm mit Lasern einen präzisen rechteckigen Querschnitt verliehen. Beide Wände wiesen nun Türen auf, und an der Deckeglühten blendfreie Lampen, die keinen Schatten warfen. Dennoch fröstelte sie in der Kälte, die die beiden Männer jedoch nicht zu spüren schienen.

Sie blieben vor einer breiten zweiflügeligen Tür stehen. Dorn gab den Zugangscode über die Tastatur ein, die in die Wand eingelassen war, und die Türen glitten auf.

»Ihre Unterkunft, Sir«, sagte er zu Humphries. »Sie können den Zugangscode natürlich nach Belieben ändern.«

Humphries quittierte das mit einem knappen Kopfnicken und ging durch die Tür. Elverda erhaschte einen Blick auf eine großzügige Suite mit Teppichboden und Hologrammfenstern an den Wänden.

Humphries drehte sich im Eingang zu ihnen um. »Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich in zwölf Stunden bei mir melden«, sagte er mit harter Stimme zu Dorn.

»Elf Stunden und siebenundfünfzig Minuten«, erwiderte Dorn.

Humphries' Nasenflügel bebten; er schob die Doppeltür zu.

»Diese Richtung.« Dorn wies mit der menschlichen Hand in die entsprechende Richtung. »Ihre Unterkunft ist leider nicht so luxuriös wie die von Mr. Humphries.«

»Ich bin sein Gast«, sagte Elverda. »Er zahlt immerhin die Zeche.«

»Sie sind eine große Künstlerin. Ich habe schon von Ihnen gehört.«

»Vielen Dank.«

»Für die Wahrheit? Keine Ursache.«

Ich war mal eine große Künstlerin, sagte Elverda sich. Früher. Vor langer Zeit. Nun bin ich nur noch eine alte Frau, die auf den Tod wartet.

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