Philip Dick - Marsianischer Zeitsturz

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Marsianischer Zeitsturz: краткое содержание, описание и аннотация

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Das Buch Der Autor
Mit großem Enthusiasmus und Pioniergeist haben die Menschen den Mars besiedelt. Doch nun, Jahre später, ähnelt das Leben dort auf erschreckende Weise dem Alltagstreiben auf der Erde. Und auch die politischen Grabenkämpfe setzen sich nahtlos fort: Arnie Kott ist bereits der mächtigste Mann auf dem Mars, aber das ist ihm nicht genug. Mittels eines geistesgestörten Jungen, für den die Schranken der Zeit nicht existieren, will er seinen Feinden eine endgültige Niederlage beibringen. Doch der Junge ist nicht nur in der Lage, vorwärts und rückwärts durch die Zeit zu stürzen, er kann Vergangenheit und Zukunft auch nach den Vorstellungen seines umnachteten Gehirns umgestalten. Die gewohnte Ordnung der 0.00cm Dinge zerfällt, Raum und Zeit lösen sich auf. Und der Traum vom Pionierleben wandelt sich endgültig zum Alptraum ...
»Philip K. Dick ist ein visionärer und zugleich naiver (im guten Sinne des Wortes) Science-Fiction-Maler. Er ist ein Bosch im Fell eines Holzschnitzers, ein Goya, der mit der Schminke und dem Rouge einer Theatergarderobe aus der Provinz arbeitet.«
- »Das ist nicht nur ein geniales Buch in bester Philip-K.-Dick-Manier, sondern auch einer der hervorragendsten Mars-Romane, die je geschrieben wurden. So wie Dick es schildert, könnte es eines Tages wirklich sein.«
- Philip K. Dick, 1928 in Chicago geboren, schrieb schon in jungen Jahren zahllose Stories und arbeitete als Verkäufer in einem Plattenladen in Berkeley, ehe er 1952 hauptberuflich Schriftsteller wurde. Er verfaßte über hundert Erzählungen und Kurzgeschichten für diverse Magazine und Anthologien und schrieb mehr als dreißig Romane, von denen etliche heute als Klassiker der amerikanischen Literatur gelten. Philip K. Dick starb am 2. März 1982 in Santa Ana, Kalifornien, an den Folgen eines Schlaganfalls.

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Für Mark und Jodie

Eins

Aus den Tiefen des Luminalschlafs heraus hörte Silvia Bohlen etwas rufen. Jäh zerriß es die Schichten, in denen sie versunken war, und beschädigte den perfekten Zustand des Nichtselbsts.

»Mom«, rief ihr Sohn wieder von draußen.

Sie richtete sich auf und nahm einen Schluck Wasser aus dem Glas neben dem Bett; sie setzte die bloßen Füße auf den Boden und stand mühsam auf. Uhrzeit: Punkt halb zehn. Sie fand ihren Morgenrock und trat ans Fenster.

Ich darf nichts mehr davon nehmen, dachte sie. Es war besser, dem schizophrenen Prozeß nachzugeben und sich dem Rest der Welt anzuschließen. Sie zog die Fensterjalousie hoch; das Sonnenlicht mit der vertrauten trüben Rotfärbung füllte ihren Gesichtskreis aus und machte es ihr unmöglich, zu sehen. Sie hob die Hand und rief: »Was gibt's, David?«

»Mom, der Kanalschiffer ist da!«

Also mußte heute Mittwoch sein. Sie nickte, drehte sich um und ging unsicher aus dem Schlafzimmer in die Küche, wo es ihr gelang, die gute alte robuste Kaffeekanne von der Erde aufzusetzen.

Was muß ich tun? fragte sie sich. Alles ist bereit für ihn. David wird sich schon darum kümmern. Sie drehte das Wasser in der Spüle auf und benetzte ihr Gesicht. Das Wasser, unangenehm und faulig, brachte sie zum Husten. Wir sollten den Tank leerlaufen lassen, dachte sie. Ihn reinigen, den Chlorzufluß neu justieren und feststellen, wie viele Filter verstopft sind; wahrscheinlich alle.

Konnte der Kanalschiffer das nicht machen? Nein, das war nicht Sache der UN.

»Brauchst du mich?« fragte sie und öffnete die Hintertür. Kalt und mit feinem Sand durchsetzt wirbelte ihr die Luft entgegen; sie wandte den Kopf ab und lauschte auf Davids Antwort. Er war darin geübt, nein zu sagen.

»Schätze nicht«, nörgelte der Junge.

Später, als sie im Morgenrock am Küchentisch saß und Kaffee trank, den Teller mit Toast und Apfelmus vor sich, schaute sie hinaus und sah den Kanalschiffer, der nie in Eile war und doch immer pünktlich eintraf, wie er in seinem kleinen Flachboot auf seine förmliche Art den Kanal entlanggetuckert kam. Sie schrieben das Jahr 1994, die zweite Augustwoche. Elf Tage hatten sie gewartet, und nun würden sie ihren Anteil am Wasser aus dem großen Kanal bekommen, der eine Meile weiter im marsianischen Norden an ihrer Häuserreihe vorbeiführte.

Der Kanalschiffer hatte sein Boot jetzt am Schleusentor vertäut und sprang, beladen mit seinem Ringordner - in dem er seine Unterlagen aufbewahrte -und den Werkzeugen für die Torbedienung an Land. Er trug eine schlammbedeckte graue Uniform und Schaftstiefel, die vom trockenen Schlick fast braun waren. Ein Deutscher? Nein, wohl doch nicht; als der Mann den Kopf wandte, sah sie, daß sein Gesicht flach und slawisch war und daß auf seinem Mützenschirm ein roter Stern prangte. Diesmal waren die Russen dran; sie hatte den Überblick verloren.

Und anscheinend war sie nicht die einzige, die den Überblick verloren hatte, in welcher Reihenfolge die UNVerwaltungsbehörden turnusmäßig wechselten. Jetzt sah sie nämlich, daß die Familie aus dem Nachbarhaus, die Steiners, auf ihrer Veranda aufgetaucht war und Anstalten machte, auf den Kanalschiffer zuzugehen: alle sechs, Vater, schwergewichtige Mutter und die vier blonden, rundlichen, krakeelenden Steiner-Gören.

Der Schiffer drehte den Steiners gerade das Wasser ab.

»Bitte, mein Herr«, begann Norbert Steiner auf deutsch, aber dann sah auch er den roten Stern und verstummte.

Silvia schmunzelte in sich hinein. So ein Pech, dachte sie.

David riß die Hintertür auf und kam ins Haus gelaufen. »Weißt du was, Mom? Bei den Steiners hat der Tank gestern abend ein Leck gekriegt, und fast die Hälfte des Wassers ist ausgelaufen! Darum reicht ihr Wasservorrat jetzt nicht mehr für den Garten, und er wird sterben, sagt Mr. Steiner.«

Sie nickte, während sie den letzten Bissen Toast aß. Sie zündete sich eine Zigarette an.

»Ist das nicht furchtbar, Mom?« sagte David.

Silvia sagte: »Und nun wollen die Steiners wohl, daß er das Wasser bei ihnen noch etwas laufen läßt.«

»Wir können doch ihren Garten nicht sterben lassen. Weißt du noch, wieviel Ärger wir mit unseren Rüben hatten? Und dann hat uns Mr. Steiner diese Chemikalie von Zuhause geschenkt, die die Käfer getötet hat, und dafür wollten wir ihnen ein paar von unseren Rüben abgeben, aber wir haben's nie getan; wir haben es glatt vergessen.«

Das stimmte. Sie zuckte schuldbewußt zusammen, als es ihr wieder einfiel; wir hatten es ihnen versprochen ... und sie haben es nie erwähnt, obwohl sie es sicher noch wissen. Und David spielte immer drüben bei ihnen.

»Geh doch bitte raus und sprich mit dem Schiffer«, bettelte David.

Sie sagte: »Ich glaube, wir können ihnen Ende des Monats ein bißchen von unserem Wasser abgeben; wir könnten einen Schlauch zu ihrem Garten hinüberlegen. Aber das mit dem Leck nehme ich ihnen nicht ab - die wollten schon immer mehr haben, als ihnen zusteht.«

»Ich weiß«, sagte David und ließ den Kopf hängen.

»Sie verdienen es nicht, mehr zu bekommen, David. Keiner verdient das.«

»Sie wissen doch nur nicht, wie man seinen Besitz in Ordnung hält«, sagte David. »Mr. Steiner, der kennt sich mit Werkzeugen nicht aus.«

»Dann sind sie selber dran schuld.« Sie spürte, wie gereizt sie war, und der Gedanke durchfuhr sie, daß sie noch nicht ganz wach sein könnte; sie brauchte ein Dexamin, sonst bekäme sie die Augen nie auf, nicht vor dem Abend, wenn wieder Zeit für ein Luminal war. Sie ging zum Medizinschränkchen im Bad, nahm eine Flasche mit kleinen herzförmigen grünen Pillen herunter, öffnete sie und zählte sie ab. Es waren nur noch dreiundzwanzig übrig; sie würde bald wieder an Bord des großen Traktorbusses gehen und die Wüste in Richtung Stadt durchqueren müssen, um sich in der Apotheke neue geben zu lassen.

Über ihrem Kopf ertönte lautes, widerhallendes Gurgeln. Der Tank auf dem Dach, ihr riesiger Blechbehälter für den Wasservorrat, begann sich zu füllen. Der Kanalschiffer hatte das Schleusentor jetzt umgeschaltet; die Bitten der Steiners waren vergebens gewesen.

Mit wachsendem Schuldgefühl schenkte sie sich ein Glas Wasser ein, um ihre Morgentablette zu nehmen. Wenn nur Jack öfter zu Hause wäre, sagte sie sich; hier ist es rundherum so leer. Das ist eine Form der Barbarei, diese Kleinlichkeit, zu der wir gezwungen sind. Was soll dieser ganze Hader und Streit, der unser Leben beherrscht, diese schreckliche Sorge um jeden Tropfen Wasser? Das kann doch nicht alles sein ... man hatte uns soviel versprochen, anfangs.

In einem nahegelegenen Haus plärrte plötzlich Radiolärm los; Tanzmusik, dann warb ein Sprecher für irgendeine landwirtschaftliche Maschine.

»... Tiefe und Winkel der Furche«, erklärte die Stimme und hallte in der kalten, klaren Morgenluft wider, »sind einstellbar und selbstregulierend, so daß noch der ungeschickteste Benutzer - fast auf Anhieb ... -«

Dann wieder Tanzmusik; die Leute hatten einen anderen Sender eingestellt.

Kindergezänk erhob sich. Geht das jetzt den ganzen Tag so weiter? fragte sie sich und überlegte, ob sie das wohl ertragen würde. Und Jack war bis zum Wochenende arbeiten - fast schien es ihr, als wäre sie nicht verheiratet, als hätte sie gar keinen Mann. Bin ich dafür von der Erde ausgewandert? Sie preßte die Hände gegen die Ohren, wollte den Lärm des Radios und der Kinder ausblenden.

Ich sollte wieder ins Bett gehen; dort gehöre ich hin, dachte sie und zog sich schließlich weiter für den vor ihr liegenden Tag an.

*

Im Geschäftsviertel von Bunchewood Park sprach Jack Bohlen vom Büro seines Arbeitgebers aus per Funktelefon mit seinem Vater in New York City. Die Verbindung, durch ein Satellitensystem über Millionen Meilen Weltraum hinweg hergestellt, war nicht sonderlich gut, wie üblich; aber Leo Bohlen bezahlte ja für das Gespräch.

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