280
Das bis zum 29.2.2012 geltende Insolvenzrecht ließ bei einer Sanierung mittels eines Insolvenzplans die Rechte der Anteilsinhaber des insolventen Unternehmens unberührt. Gesellschafterbeschlüsse – wie sie z.B. für eine Kapitalherabsetzung und -erhöhung erforderlich sind – oder Willenserklärungen einzelner Gesellschafter zur Übertragung ihrer Anteile konnten weder durch den Plan selbst noch durch Entscheidungen des Insolvenzgerichts ersetzt werden. Nach der InsO war daher zur Sanierung eines insolventen Unternehmens auf der Grundlage eines Insolvenzplans stets die Mitwirkung der Anteilsinhaber erforderlich.
281
In der rechtspolitischen Diskussion wurden hierin ein erhebliches Sanierungshindernis und ein Standortnachteil im Vergleich zum Recht Englands und anderer Staaten gesehen und dabei auch auf die bestehenden Blockademöglichkeiten hingewiesen.
282
Seit Inkrafttreten des ESUG kann durch den Insolvenzplan nicht mehr nur in Rechte der Gläubiger eingegriffen werden, sondern es können auch die Rechte der am Schuldner beteiligten Personen umgestaltet werden. In Betracht kommen Kapitalmaßnahmen wie insbesondere die Umwandlung von Forderungen in Gesellschaftsanteile, der sog. Debt-Equity-Swap.
283
Für die Einbeziehung der Anteilsrechtein die gestaltende Wirkung eines Insolvenzplans spricht auch, dass die Grenze zwischen Eigen- und Fremdkapital zwischen Beteiligung an einer Gesellschaft und Forderung gegen eine Gesellschaft fließend ist. Mezzanine-Finanzierungsinstrumente wie Genussscheine und stille Beteiligungen können je nach ihrer rechtlichen Ausgestaltung als Eigen- oder Fremdkapital anzusehen sein, möglicherweise handelsrechtlich als Eigenkapital, steuerlich als Fremdkapital.
284
Im Unterscheid zum früheren Insolvenzplanverfahren sind infolge der Änderungen grundsätzlich auch die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten bei der Gruppenbildung und Abstimmung zu berücksichtigen. Eine Beteiligung ist jedoch nur dann erforderlich, wenn durch den Plan tatsächlich in ihre Rechte eingegriffen wird.
285
Mit der gesetzlichen Neuregelung durch das ESUG kann der Unternehmensträger saniert werden und es bedarf nicht einer übertragenden Sanierung, zumal die übertragende Sanierung nicht immer ein gleichwertiger Ersatz für die Sanierung des Unternehmensträgers durch einen Insolvenzplan war. Steuerliche Aspekte wie die Nutzung von Verlustvorträgen und die Vermeidung von Grunderwerbsteuer könnten gegen eine Übertragung sprechen. Das insolvente Unternehmen kann Inhaber von Rechtspositionen sein, die nicht oder nur mit Schwierigkeiten und Kosten übertragen werden können (z.B. Lizenzen, Genehmigungen und günstige langfristige Verträge).
286
Bis zum Inkrafttreten des ESUG konnte durch den Insolvenzplan nicht in die Gesellschafterrechte der an der schuldnerischen Gesellschaft beteiligten Gesellschafter eingegriffen werden ( Bork ZIP 2010, 397; Braun FS Fischer, S. 53, 65; Eidenmüller in MK, § 217 Rz. 74 f.; ders. ZGR 2001, 680, 688; Eidenmüller/Engert ZIP 2008, 541, 543; Flessner in HK, § 221 Rz. 4 f.; Gerster ZInsO 2008, 437, 441; Jaffé in FK, § 221 Rz. 4 ff.; Jaffé/Friedrich ZIP 2008, 1849, 1853; Sassenrath ZIP 2003, 1517, 1519, Smid DZWIR 2009, 397, 399; Smid/Rattunde Insolvenzplan, Rz. 615; Uhlenbruck NZI 2008, 201, 203; ders. FS Lüer, S. 461; Vallender NZI 2007, 129, 136 f.; Drukarzyk/Schöntag FS Schmidt, S. 649, 670). Dieser Fehler der InsO ist jetzt behoben.
287
Nicht beteiligt am Insolvenzplan sind weiter
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die Aussonderungsberechtigten (§ 47 InsO), |
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die Massegläubiger (§§ 53 ff. InsO); |
– |
die Sozialplangläubiger (§ 123 Abs. 2 Satz 1 InsO; a.A. Braun a.a.O. Rz. 30 ff., dass wegen der nur begrenzten Besserstellung der Arbeitnehmer diese Masseverbindlichkeit insolvenzplanzugänglich seien), |
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der Vormerkungsgesicherte (§ 106 InsO). |
288
Aus der Abgrenzung der Beteiligten ergibt sich, dass mit den Beteiligten nicht die vom Insolvenzplan materiell Betroffenen gemeint sind, sondern die verfahrensrechtliche Stellung angesprochen wird.
289
Nach der gefestigten Rspr. berechtigt auch der einfache Eigentumsvorbehaltdes Vorbehaltsverkäufers in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers zur Aussonderung ( BGH 21.5.1953 – IV ZR 192/52 – BGHZ 10, 69, 72; 1.7.1970 – VIII ZR 24/69 – BGHZ 54, 214, 218 f.), sodass der Eigentumsvorbehaltslieferant auch in Zukunft nicht Beteiligter des Insolvenzplans wäre.
290
Da sowohl das Sicherungseigentum, das zur Absonderung berechtigt, als auch der Eigentumsvorbehalt, der zur Aussonderung berechtigt, meist als Sicherungsinstrumente für Kredite eingesetzt werden, soll der einfache Eigentumsvorbehalt ebenfalls als Absonderungsrecht zu qualifizieren sein.
291
Hierfür könnte sprechen, dass in vielen europäischen Ländern der Eigentumsvorbehalt nicht anerkannt ist oder in Register eingetragen werden muss.
292
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Eigentumsvorbehalt und das daraus resultierende Aussonderungsrecht die Insolvenzmasse aushöhlt, was gerade vermieden werden soll. Dies insbesondere dann, wenn der Verwalter wegen fehlender Masse gerade nicht die Erfüllung des Vertrages wählen kann und der Gegenstand unabdingbar für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs benötigt wird.
293
Es muss deshalb aus dem Ziel der InsO, u.a. die Insolvenzmasse anzureichern, abgeleitet werden, dass der einfache Eigentumsvorbehalt genauso wie das Sicherungseigentum und die Erweiterungsformen des Eigentumsvorbehalts nur zum Absonderungsrecht berechtigen mit der Folge, dass der Eigentumsvorbehaltslieferant Beteiligter des Insolvenzplans ist.
1› G› V. Regelungstatbestand des Insolvenzplans
V. Regelungstatbestand des Insolvenzplans
294
Inhalt des Insolvenzplans kann die Verwertung der Insolvenzmasse, die Verteilung der Erlöse an die Gläubiger und die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Verfahrens sein. Da ausdrücklich zugelassen ist, dass der Insolvenzplan abweichend von den gesetzlichen Vorschriften gestaltet werden kann, kann ein Höchstmaß an Flexibilitäterreicht werden. Dies bedeutet, dass als Gegenstand eines Insolvenzplans nicht nur verschiedene Formen der Sanierung, sondern auch besondere Formen der Liquidation oder übertragender Sanierung frei vereinbart und ggf. mit schuldbefreienden Regelungen kombiniert werden können.
295
Aufgrund dieser Chancen kann davon ausgegangen werden, dass das Instrument des Insolvenzplans gelungen ist, um den Sanierungsgedanken im Insolvenzrecht zu verankern bzw. zumindest die rechtlichen Hemmnisse für eine Sanierung zu beseitigen.
296
Der Insolvenzplan erlaubt vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Eine maßgeschneiderte Lösung ist möglich. Der Verzicht auf Mindestanforderungen, insbesondere auf eine Mindestquote, verbreitert die Anwendungsmöglichkeiten. Das Hauptanwendungsgebiet dürfte bei der Sanierung und Weiterführung durch den bisherigen Träger liegen und ist insofern eine Weiterentwicklung des Vergleichsverfahrens und des Zwangsvergleichs. Die Stellung des Insolvenzverwalters wird gegenüber der des Vergleichsverwalters durch ein Planvorschlagsrecht gestärkt, das ihm neben dem Schuldner zusteht. Der Insolvenzplan setzt einen erheblichen verfahrensmäßigen Aufwand voraus. Die Bevorzugung einzelner Gläubiger wird unterbunden. Die Möglichkeiten von Gläubigergruppen oder Einzelgläubigern, den Plan durch Obstruktion zu Fall zu bringen, werden weitgehend ausgeschlossen. Es kann erwartet werden, dass Sanierungen in der Insolvenz in Zukunft mit Hilfe des Plans sehr viel häufiger möglich sein werden als nach bisherigem Recht.
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