„ Liebster,
mein Lachen erreicht Deine Ufer inmitten der afrikanischen Weite, während ich zeitgleich vor der Eisdiele am Marktplatz sitze. Du bist für mich ein Unikat, so bunt wie ein Harlekin, so weise wie ein Zen-Buddhist, so lebendig wie ein junger, wilder, ungestümer Liebhaber, voller Überraschungen — Abenteurer, Tänzer, Hochseilakrobat.“
Sie hätte noch weiterschreiben können und an der tiefen Herzensverbindung zu Enrico weben, da spürte sie auf einmal ganz deutlich, wie sich ihre Stimmung veränderte. In ihr wurde es neben der empfundenen Wärme für Enrico — weit, groß und unmittelbar — so als könnte sie den Geruch der Karawane riechen, mit der sie damals durch die Wüste geritten war. — Afrika , das war ihr Zauberwort, dieses Land liebte sie, diese Menschen hatten eine Botschaft für sie.
Yasmin bemerkte eine Bewegung zwischen zwei Polen in sich: Ihre Liebe, die tief verankert in ihrem Herzen Enrico gehörte, und dieses innere Wissen, dass sie einen Zustand anstrebte, der im Bild der Tuaregs in der Wüste seinen Ausdruck fand und etwas von echter Größe und Freiheit trug. Enrico, obwohl Tausende von Kilometern entfernt, hatte nicht zum ersten Mal gefühlt, was sie genau jetzt in diesem Moment brauchte.
Alles ist da, jetzt. War es nicht genau das? Leben in diesem einen Augenblick, ganz, total, unmittelbar.
Yasmin hatte einen Traum in dieser Sommernacht, an den sie sich noch am nächsten Morgen in allen Einzelheiten erinnerte: Sie ging am Strand entlang, eine glutrote Sonne erstieg dem weiten Meer und tauchte alles in ein faszinierendes Licht. Enrico kam ihr aus der Ferne entgegen. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Niemand außer ihm war zu sehen. Als er bei ihr angekommen war, hielt er in seiner rechten ausgestreckten Hand etwas, das sie nicht gleich erkennen konnte; es war ein kleiner Vogel, der in einem Nest saß und brütete, ganz so wie das Rotschwänzchen über ihrem Hauseingang. Er legte dieses Nest in ihre geöffneten Hände, schaute sie zärtlich an, um wenige Augenblicke später in die Richtung zurückzugehen, aus der er gekommen war. Minuten später füllte sich der Strand mit unzähligen Menschen unterschiedlicher Kulturen und die Landschaft wurde immer afrikanischer. Ein Baum von überdimensionaler Größe rückte in den Vordergrund, hinter ihm die glutrote Sonne. Die vielen Menschen bildeten einen Kreis um sie und begannen zu singen, während sie immer noch das Nest in ihren Händen hielt. Noch nie hatte ein Vogel ihr so tief ins Herz geschaut und es in seiner Tiefe berührt, dass sie zu lächeln begann. Die singenden und sich wiegenden Menschen hüllten sie in das Meer ihres Gesanges ein, der zu einem Strom bedingungsloser Liebe anschwoll. Eine große Stille schwoll darauf in ihr an, von der aus sich eine unerschütterliche Geborgenheit ausbreitete. Sie spürte ihre Wurzeln, die sie unmittelbar mit all den Menschen verbanden, die für sie sangen und sie wissen ließen, dass sie Teil eines großen Ganzes war. Aus diesem Eingebundensein schaute sie auf den kleinen Vogel im Nest und spürte, dass sie selbst dieser brütende Vogel war, für den es zu sorgen galt.
Im Großen geborgen, im Kleinen geboren
Aus der tiefen Verbundenheit zu sich selbst, schrieb Yasmin eine SMS an ihren Liebsten. Leise begann sie zu ahnen, dass die Brücke zum Du aus den Zärtlichkeiten gewebt wird, die wir uns selbst gewähren.
"Lieber Enrico:
Für Dich, der Du das Licht gewählt hast, in seiner unendlichen Schönheit, Wärme und Liebe. Aus deinem Herzen bricht es sich Bahn, findet mein Herz und leuchtend umarmen wir uns in diesem einen Augenblick, der keinen Anfang und kein Ende kennt.
In tiefer Liebe an die Ufer deiner Seele gesprochen,
Dein Herz berührend.
Yasmin"
Yasmin wollte gerade zu Bett gehen, da traf auf ihrem Handy eine SMS ein:
„Was ist es",
fragte die Liebe den Wind,
"dass die Menschen mich einerseits herbeisehnen,
doch nähere ich mich ihnen,
sind sie oft flüchtig?“
„Es ist das Geheimnis sich einzulassen
und gleichzeitig loszulassen“, sagte der Wind.
„Was könnte ich für die Menschen tun,
dass sie dieses Wunder erfahren?“,
wollte die Liebe vom Wind wissen.
„
den Mut eines Bergsteigers,
und die Lust des Lebens, gepaart mit Zeitlosigkeit und unerschütterlichem Vertrauen.“
„Das tue ich, so lange es mich gibt.
Warum glauben die Menschen nicht, dass das Beste für sie da ist?“
„Weil sie vergessen haben, wie es ist einfach nur da zu sein
und das zu leben und zu geben, was sie sind.“
„Nun, ich werde die Menschen weiter einladen,
habe ich doch versprochen, gleich am ersten Tag der Schöpfung,
dass kein Tag vergehen wird,
an dem ich nicht für jeden da bin, mit all meinem Reichtum.
Enrico"
Die Worte Enricos bewegten Yasmin genau dort, wo ihre tiefste Sehnsucht vor Anker lag: Mein Herz ruft Dich und Du hörst mich. Deine Liebe erreicht meine Seele. Und ich lache Dir zu, weil ich Dich liebe, liebe, liebe … Ihre Antwort verließ blitzschnell ihr Handy.
Sie verknüpfte mühelos Erinnerungen von gelebter Nähe und der Weite der Serengeti. Vor ihrem geistigen Auge begannen Elefantenherden ihrem Weg nachzugehen und sie konnte förmlich den afrikanischen Boden riechen, die Stille hören und der flirrenden Hitze erlauben, ihre nackte Haut zu liebkosen.
Mitten in diese innere Erfahrung hinein hörte sie das Zwitschern der Rotschwänzchen vor ihrem Haus. Ein blitzartiger Szenenwechsel auf ihrer inneren Bühne war die Folge. Plötzlich war ihr klar: es ging um ihren Weg. Sie konnte auf Dauer nicht aus der Qualität der Fülle Enricos leben, der auf seinem Lebensweg nicht nur über ein weit gefächertes Spektrum unterschiedlichster Erfahrungen und daraus resultierender Qualitäten verfügte, sondern sich offensichtlich der frei fließenden Liebe hingegeben hatte.
Da kam Yasmin ihre Idee wieder in den Sinn, ein Beratungsgespräch im nahe gelegenen Kloster zu buchen. Das rief ein spontanes kristallklares Bild in ihr hervor: Sie sah vor sich einen Weg, der sich durch die Landschaft ihrer Umgebung schlängelte. Yasmin war barfuß und niemand außer ihr war in diesem Bild zu sehen. Mein Weg wird mich gehen , flüsterte es in ihr.
Das klare Wasser ihrer warmen Dusche inspirierte sie, sich dem Fluss des Lebens anzuvertrauen.
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