Mit seinen Händen, die er gegen Bellzazars Schultern presste, nagelte er ihn am Boden fest und legte mokant lächelnd den Kopf schief.
»Was hast du nur, Zazar?« Baels Kopf tauchte hinter Levidethas Schulter auf. »Wir bieten dir einen Ausweg an. Du wolltest doch sterben, oder nicht?«
Bellzazar blickte mit seiner verschwommenen Sicht zwischen den beiden schwarzen Augenpaaren hin und her.
»Ihr Narren«, sagte er schließlich ermattet. »Ihr könnt mich quälen und foltern so lange ihr wollt, es ändert nichts an dem Umstand, dass ich euch weder sagen kann, noch werde, wie ihr meine Seele von meinem unsterblichen Körper trennen könnt. Es gibt nämlich keinen Weg!«
Levidethas Blick wurde grüblerisch, während sich Bael erbost abwandte und verächtlich schnaubte.
»Er scheint die Folter zu mögen«, sagte Bael missgelaunt, er ging hinter Levidetha mit hinter dem Rücken verschränkten Händen auf und ab. »Levidetha, zeigen wir ihm doch, was echte Qualen sind. Zerreiß ihn.«
Nicht schon wieder …
Bellzazar schloss bereits die Augen, in Erwartung flinker Hände, die ihm unversehens den Brustkorb aufreißen würden, um ihm die Eingeweide mit bloßen Händen aus dem warmen Leib zu ziehen.
Er war von den beiden schon oft getötet worden. Immer und immer wieder ließen sie ihn sterben, um ihn in der Schwärze abzufangen und wieder hier her zu bringen. Sie nutzten seine größte Furcht; die Furcht vor dem Sterben. Aber wie bereits erwähnt, konnte Bellzazar sich nicht selbst helfen, weil das, was Bael verlangte, schier unmöglich war.
Der Fürst des Krieges wollte Bellzazars Körper. Er wollte ihn übernehmen, um die Unsterblichkeit zu erreichen. Außerdem gingen Gerüchte in der Unterwelt umher, dass der Thron gesprochen haben soll. Der Thron der Unterwelt, der angeblich ein eigenes Bewusstsein hatte, soll seinen nächsten Herrscher gewählt haben. Die Dämonen erzählten sich, er habe zu Bellzazar geflüstert. Und Bael glaubte, wenn er Bellzazars Körper übernahm, würde der Thron ihn akzeptieren.
Doch das war nicht im Bereich des Möglichen. Bellzazars Seele war unwiderruflich an seinen Körper gebunden, nur so war seine Unsterblichkeit überhaupt erst erreicht worden. Es gab einfach nichts und niemand, was Bellzazar von seinem Körper trennen konnte. Ebenso wenig wie man die Sonne vom Himmel nehmen und trotzdem noch Tageslicht haben konnte. Es war nicht möglich.
Levidetha schien es endlich zu begreifen, denn er ließ sich mit der Ausführung seines Befehls Zeit.
Bellzazar, der verwirrt die Augen öffnete, nachdem der Schmerz ausblieb, blickte in ein hoch intelligentes Gesicht.
Als er sagte, ein Dämon hätte ihn überwältigt, dem nicht einmal die anderen Dämonen begegnen wollten, hatte Bellzazar nicht Bael gemeint.
Flehend sah Bellzazar zu dem »Helferlein« hoch, der einst die Macht über die ungezähmten Meere der sterblichen Welt besessen hatte. Der einst ein Gott gewesen war. »Bitte.«
»Du kannst es beenden«, hauchte Levidetha ihm zu.
Bael fuhr verwundert herum. »Levidetha!«
»Ich kann ihn für dich töten«, schlug Levidetha vor. Er war der hinterlistigste von allen, aber auch der meist Verführerische. Er war genau wie die See, die mit ihren Weiten und ihrer Wildheit die Herzen der Seemänner höherschlagen ließ, während sie gleichzeitig dazu im Stande war, die zu töten, die sie verehrten und liebten. Levidetha war ebenso wenig im Stande, loyal zu bleiben, wie es das ungestüme Meer war, wenn es seine tapferen Seeleute verschlang.
Levidetha spürte, dass Bael nicht der oberste Fürst werden konnte, deshalb wandte er sich lohnenswerteren Zielen zu. Bellzazar konnte ihm nicht vertrauen.
»Komm schon«, hauchte Levidetha ihm mit lieblicher Stimme zu und setzte sich auf Bellzazar nieder. »Lass mich dir helfen, Zazar.« Das Grinsen auf dem Gesicht des Dämons war das listigste, was jemals existiert hatte.
Bellzazar atmete stockend aus, er blinzelte seine Furcht fort. In seinem Kopf waren nur Gedanken an seinen Bruder, und wie er schnell zu ihm kommen konnte.
»Was muss ich dafür tun?«, fragte er, obwohl er es bereits ahnte.
Levidetha beugte sich vor, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten, und hauchte ihm mit verwegenem Flüstern zu: »Besteige. Den. Thron.«
Bael begann hinter Levidetha lauthals zu lachen. Er legte den Kopf in den Nacken und hielt sich den Bauch. »Er soll den Thron besteigen? Wer soll ihm folgen?«
Levidetha nahm nicht seinen Blick von Bellzazar, der wiederum außerstande war, sich abzuwenden.
»Beachte ihn nicht«, sagte Levidetha, »wir beide wissen, dass dir die ganze Unterwelt folgt, wenn du nur endlich den Göttern entsagen würdest.«
Und er hatte Recht. Durch das göttliche Blut in seinen Adern, aber die schwarze Seele in seinem Inneren, war er für die Dämonen so heilig, wie es der Schöpfer für die Sterblichen war. Bellzazar war etwas Besonderes.
»Du hast die Macht, den Kampf zu entscheiden«, lockte Levidetha ihn. »Überdenke es, Zazar, aber denke diesmal schnell. Gewiss, du könntest dich deinen Göttern zuwenden und uns vernichten. Du gibst ihnen damit aber die Macht, weiterhin mit allen Sterblichen zu spielen, als seien sie nur Figuren auf einem Brett.«
Bellzazar presste die Lippen zusammen, er versuchte, seine Ohren vor den Worten des Dämons zu verschließen, denn sein Herz war schwach. Aber welcher Mann von seiner Schwäche wusste, konnte sie überwinden …
»Erinnere dich an Lugrain«, sprach Levidetha weiter auf ihn ein.
Bellzazar spürte, wie es ihm das Herz zerriss. Er sah den Dämon grinsen, als hätte er ihm diesen Schmerz mit den Händen zugefügt.
»Weißt du nicht mehr, was sie deinem geliebten Freund angetan haben?«, fragte Levidetha gespielt bedauernd. »Soll der nächste Zyklus so weitergehen?«
Bael tauchte hinter Levidetha auf und sah ihm kritisch über die Schulter.
Levidetha fuhr unbeirrt fort: »Der Zyklus begann durch dich vom neuen, Zazar, vergiss das nicht. Wir alle konnten die Erschütterung spüren, als du dich von den Göttern abgewandt hast. Du hast damit die noch schlafenden von uns erweckt.«
Daran wollte er gar nicht denken …
»Das hast du nicht ohne Grund getan«, wusste Levidetha und lächelte triumphal. »Du hast es getan, weil sie mit deinem Lugrain spielten. Und jetzt … tja, und jetzt spielen sie mit deinem Bruder.«
»Genug! Hör auf!«, zischte Bellzazar wütend.
»Schließ dich uns an!« Verlockend strich Levidetha mit einer Kralle zwischen Bellzazars von Schweiß überzogener Brust entlang, sodass es ihm eine Gänsehaut bescherte. »Besteige den Thron und du bist frei.«
Bellzazar schüttelte verzweifelt den Kopf, ihm stiegen Tränen in die Augen.
Das hier hatte er nie gewollt.
»Ich will nur Freiheit für all jene, die vom Licht oder von der Finsternis versklavt wurden«, sagte er entschlossen.
Bael schnaubte spöttisch und wandte sich wieder ab. Für ihn war die Gefahr vorbei; Bellzazar würde nie den Thron besteigen.
»Nein, Zazar«, wiedersprach Levidetha jedoch wissend. »Alles, was du tatsächlich je wolltest, war deine eigene Freiheit und die ungeteilte Liebe eines Individuums. Du Dummkopf!« Er lachte in sich hinein. »Statt nach der Liebe und der Loyalität eines einzigen Herzens zu fechten, das stets an dir zweifelt, könntest du eine ganze Legion von Herzen haben, die dir ihre ungeteilte Liebe und Loyalität zu Füßen legen.«
Bellzazars Augen flogen hin und her. »Mein Bruder …«
»Eine arme, einsame Seele, deren Tage bereits gezählt sind. In den Fängen der Götter, dazu gezwungen, immer für ihren Willen zu kämpfen, ohne es zu wissen«, warf Levidetha ein. Dann beugte er sich vor und sprach eindringlich weiter, sodass Bellzazar die Bedeutung der Worte unmöglich missverstehen konnte: »Eine einsame Seele, mit der ebenso gespielt wurde wie mit dir gespielt wird. Eine Seele, deren Augen wir öffnen können.«
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