Klaus Perschke - Vor dem Mast – ein Nautiker erzählt vom Beginn seiner Seefahrt 1951-56

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Klaus Perscke erzählt in diesem Band von seiner Kindheit in Cuxhaven und seiner Jugend als Moses, Jungmann, Leichtmatrose und Matrose in den Aufbaujahren 1951 bis 1956. Er befuhr zunächst vor dem Mast, später als Nautiker die Ozeane. Sein erstes Schiff war das Kümo «ACHILLES» aus Finkenwerder. Zunächst lernte er als Moses in der kleinen Fahrt Nord- und Ostsee kennen. Später fuhr er auf der «KAMERUN» bei der DAL nach Ostafrika und auf der «MUANSA» bei der Meridian-Schifffahrtsgesellschaft, zuletzt als Matrose zur Ost-, West- und Südküste Afrikas. In den 1950er Jahren gab es noch Liegezeiten, die es ermöglichten, Land und Leute kennen zu lernen. Perschkes Erzählungen laufen vor dem Leser wie ein Film ab.
Rezension zur maritimen gelben Reihe: Ich bin immer wieder begeistert von der «Gelben Buchreihe». Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechselungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlich hat. Alle Achtung!

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Was war das also für ein Fischereifahrzeug? Nun, der FK DOGGERBANK war ein Stahlkutter, der in der mittleren Nordsee fischte und eine Vermessung von 63,55 BRT und eine Länge von 19,21 m hatte. Er war einer der ersten Fischkutterneubauten nach dem Krieg, also 1946 auf der Kremer-Werft in Elmshorn gebaut worden. Die Eigner waren W. Tietgen und A. Naatz, und der Kutter sollte noch im gleichen Jahr nach Chile verkauft werden. Nun aber lag er „nicht betriebsklar“ in Cuxhaven und wartete auf Ersatzteile. Das hieß jeden Tag Verdienstausfall, keine Fische im Netz und im Fischraum. Für den Schipper ein nerviges Warten. Keine gute Stimmung. Wie sollte es weitergehen?

Es ging nur 14 Tage gut, da sagte der Schipper, Jan Külper, zu mir: „Moses, dat het keen Tweck mehr. Du musst wedder afmustern. Ick kann di nich mehr betohlen. Wi fangt nix un de vadammte Getriebereparatur duart imma länga, seug di n annern Kutter, Dschung!“ Das war höhere Gewalt. Es sollte also nicht sein, dass ich Fischer werden sollte. Also musste ich den alten Seesack wieder packen und zurück zu den Eltern in die Gorch-Fock-Straße. Das war damals die traurige Realität für meinen Anfang.

Ein jämmerlicher Anfang in der so genannten Christlichen Seefahrt. Wie sollte es weitergehen? Zurück in die Buchhandlung? Damit die anderen sich totlachten? Keinesfalls! Ich wollte beweisen, dass ich durchhalte, meinen eingeschlagenen Weg weitergehe. Ein gekränkter trotziger Junge im Alter von 16 Jahren !

Mein Vater hatte nach dem Motto gehandelt: „Man kennt einen Freund, der wiederum einen Freund kennt“. Der Berufseintritt wurde dadurch ziemlich erschwert, dass es gerade Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre eine Schwemme von arbeitslosen Kriegsmarine- und Handelsschiffsseeleuten gab, die an der Küste in die sich gerade wieder entfaltende Seefahrt hinein drängten. Auf einen Platz an Bord bewarben sich zehn Arbeitslose. Also der „Freund“ meines Vaters war ein Cuxhavener Kriegskamerad, gebürtiger Finkenwerder, den mein Vater in britischer Kriegsgefangenschaft kennen gelernt hatte, und beide waren fast zur gleichen Zeit nach Cuxhaven entlassen worden. Paul Meier, mein großer Gönner und ehemaliger HAPAG-Offizier, Inhaber des nautischen Patents A6 (Kapitän auf Großer Fahrt), stammte aus einer alteingesessenen Finkenwerder Fischerfamilie. Seine Eltern und Geschwister lebten alle noch in Finkenwerder. Selbstverständlich hatte er dort auch seine alten Schummis, Schulfreunde, die selbstständige Fischkuttereigner und auch Küstenschiffer waren. Wohl eher aus Mitleid ließ er seine Beziehungen in seine alte Heimat spielen. Mit Erfolg.

Da war ein Kumpel aus alten Tagen, der ein Jahr nach Kriegsende, also 1946, als man die Küstenschifffahrt wieder erlaubt hatte, mit seiner alten Nobiskruger „BERTA VON BUSCH“ nach Flensburg segeln wollte.

So sah der ehemalige Nobiskruger Dreimaster BERTA VON BUSCH aus Auslaufend - фото 22

So sah der ehemalige Nobiskruger Dreimaster „BERTA VON BUSCH“ aus.

Auslaufend Kieler Förde nahm er eine Abkürzung, die leider quer durch ein Minenfeld verlief, welches nicht in jeder normalen Seekarte eingezeichnet war. Mit diesem Abkürzungsversuch war er mit seiner BERTA VON BUSCH über eine Mine gelaufen und in die Luft geflogen. Bei diesem Unglück verlor Kapitän Fritz von Busch nicht nur seinen Matrosen, sondern auch seine Ehefrau, die damals an Bord als Koch und Leichtmatrose mitfuhr. Er und sein Schiffsjunge überlebten schwer verletzt den Untergang des Motorseglers und kamen in Kiel in die Universitäts-Klinik, wo Kapitän von Busch über ein ganzes Jahr verbringen musste, um wieder zusammengeflickt zu werden.

Nachdem er endlich als geheilt aus dem Krankenhaus nach Finkenwerder entlassen worden war, gab er in Finkenwerder bei der August-Pahl-Werft Mitte 1950 einen Neubau in Auftrag. Am 21. März 1951 war Stapellauf und am 21. Juni 1951 fand die Übergabe an den Eigner Fritz von Busch und die Probefahrt auf der Elbe statt.

Das Küstenmotorschiff war für die damalige Zeit ein sehr moderner Neubau, seine Vermessung nach dem Oslo-Abkommen betrug 299 BRT und 127 NRT. Getauft auf den Namen „ACHILLES“ hatte er eine Länge über alles von 42,52 m, eine Breite von 7,83 m und einen Tiefgang im Seewasser von 2,30 m. Sein Klassenzeichen: +100 A4KE, bei seiner Klassifikationsgesellschaft der Germanische Lloyd.

MS ACHILLES Eigner Kapitän Fritz von Busch Indienststellung am 19Juni - фото 23

MS „ACHILLES“ – Eigner: Kapitän Fritz von Busch, Indienststellung am 19.Juni 1951

Das Kümo hatte eine Klöckner-Humboldt-Deutz-Hauptmaschine, 6 Kolben mit 650 PS, allerdings mit gedrosselter Maschinenleistung. Weiterhin hatte das Küstenmotorschiff etwas für damalige Zeiten relativ Neues: es hatte eine Vorpiek und Doppelbodentanks, die man sowohl als Ballasttanks als auch für die Aufnahme von Gasöl, also Bunker, unterteilen und verwenden konnte. Dieses war in der Konstruktionsphase von der Schiffswerft eingeplant und festgelegt worden.

Endlich an Bord des ersten Schiffes Am 18 Juni 1951 hieß es wieder Abschied - фото 24

Endlich an Bord des ersten Schiffes

Am 18. Juni 1951 hieß es wieder Abschied nehmen von zuhause, dieses Mal in Richtung Hamburg-Finkenwerder. Es war für mich absolutes Neuland, für einen etwas verwöhnten Beamtensohn ein Sprung ins kalte Wasser. Schon allein die Fahrt vom Hamburger Hauptbahnhof mit der Straßenbahn bis zu den Landungsbrücken war ein halbes Abenteuer. Irgendwelche Penner oder Zuhälter wollten mir meinen Seesack abnehmen, den ich verteidigen musste, wollten mich mit hübschen Mädchen bekannt machen, mir den Weg zu den Landungsbrücken zeigen. Erst, als sie zu aufdringlich wurden, sprang ein Hamburger Hafenarbeiter dazwischen, ließ seine Muskeln spielen, jagte sie in die Flucht und brachte mich anschließend direkt zum Anleger der Hafenfähre, mit der ich nach Finkenwerder übersetzte. Vom Anleger in Finkenwerder fragte ich mich nach der August-Pahl-Werft durch, und als ich mich vor dem Tor ausgewiesen hatte, durfte ich an Bord der ACHILLES gehen, wo ich mich zum Ersten Steuermann durchfragte, der mich anschließend zum Kapitän brachte, welcher mir mein Seefahrtsbuch zwecks „Musterung“ am 19. Juni abnahm.

An und Abmusterung auf MS ACHILLES Der 1 Steuermann führte mich unter die - фото 25

An- und Abmusterung auf MS ACHILLES

Der 1. Steuermann führte mich unter die Back, wo ein Matrose, ein Leichtmatrose und zwei Jungmänner ihre Kammern und Kojen hatten. Ich war der fünfte in der Deckscrew.

Die Besatzung bestand überwiegend aus Finkenwerder Jungens, Söhnen von Kümo- oder Fischkuttereignern, außer dem 2. Steuermann Georg Richters, der gebürtiger Stader war. Der Moses, Klaus Perschke war also ein Außenseiter. Die Umgangssprache war „Finkenwarder Platt“. Ich, der Seiteneinsteiger in die Seefahrt, sprach nur hochdeutsch. Also, da ich kein Einheimischer war, war ich „Ausländer“, stand auf der Stufe der hergelaufenen Flüchtlinge und Vertriebenen. Türken waren damals ja noch unbekannt in Deutschland.

„Na Moses, du hes jo noch nie to See foaahrt? Un platt snacks jo og nich, dat musst nu’ leehrn bi us. Sünst kumms nich torech mit us.“ Das war der Kommentar des Leichtmatrosen. Nachdem ich mich umgezogen hatte und im Arbetstüch an Deck kam und fragte, was ich denn machen solle, antwortete der Leichtmatrose: „Du künns ja mol den Kompassschlödl (Kompass-Schlüssel) holen!“ „Und wo bekomme ich den her?“ „Muss op de Warf in de Maschinhall goon!“ Also tigerte ich die Gangway runter und ging in die Werfthalle, wo ich mich bei einem Schlossermeister nach den „Kompassschlödl“ erkundigte. Der sah mich verdattert an, grinste über alle Backen und wies auf einen riesigen „Ruderquadranten“, der in der Schmiede lag. Ein Ruderquadrant ist ein Teil der manuellen Übersetzung vom Ruderrad im Ruderhaus über ein Schneckengestänge bis zur Ruderanlage, die im Ruderraum unter Deck des Achterschiffs eingebaut ist. Der Quadrant sitzt direkt auf der senkrecht stehenden Ruderachse. Das geschmiedete Teil wog zirka 600 kg. Ich guckte dumm aus der Wäsche und ärgerte mich über den Leichtmatrosen, der sich bei meiner Rückkehr an Bord halb totlachen wollte. Alle Finkenwerder Junges waren körperlich groß und kräftig, sehr muskulös, hatten alle jede Menge Muckies. Natürlich waren die Finkenwerder gut genährt durch die Jahre 1945 bis 1948 gekommen. Ich war ein unterernährter Hampelmann, der – wie schon vorher erwähnt - sein Vater Unser. durch die Backen blasen konnte. Auf jeden Fall, die Jungens waren mir alle an Kräften überlegen. Ich war ihnen körperlich absolut ausgeliefert. Das bekam ich dann auch in den nächsten Wochen öfters zu spüren.

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