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Stanislaw Lem: Fiasko

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Stanislaw Lem Fiasko

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Mit „Fiasko“ knüpft Lem an jene Phase seines literarischen Schaffens an, die mit Romanen wie „Der Unbesiegbare“ (1967) und „Solaris“ (1972) seine bisher größten erzählerischen Erfolge aufwies. „Fiasko“, ein Buch von grandiosem pessimistischem Zuschnitt, nimmt eine Idee auf, die die intellektuelle Science-fiction bislang gemieden hat: die Möglichkeit der Selbstzerstörung unseres Planeten. Den Ausgangspunkt der Geschichte, die Lem ins 22. Jahrhundert datiert, bildet der Versuch eines Raumfahrtkommandos, mit einer außerirdischen Zivilisation Kontakt aufzunehmen, doch kristallisiert sich als das eigentliche Thema des Romans bald der fatale Zustand jener fremden Zivilisation heraus. Im Verlauf eines hundertjährigen kalten Krieges und Wettrüstens ist das ganze Planetensystem, m welchem sich auch der Planet Quinta — Ziel des Raumschiffs „Hermes“ — befindet, „militarisiert“ worden und bildet nun eine gewaltige „Sphäromachie“, in der unzählige hochautomatisierte Satelliten sich gegenseitig in Schach halten. Unwissentlich gerät das Unternehmen Hermes zwischen die Fronten und beschwört durch eine fatale Demonstration der Stärke die kosmische Katastrophe herauf: „ein Lehrstück über den Wahnwitz von SDI und Star-Wars-Träumen“ („Die Zeit“).

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Plötzlich fiel ihm ein, daß der Biosensor in zwei Bereichen arbeitete: Er ließ sich von dem auf Sauerstoff beruhenden Metabolismus auf einen Stoffwechsel umschalten, der ohne Sauerstoff auskam. Den ersteren hatte er bereits entdeckt.

Tempe hob das Gerät auf, wischte mit dem Handschuh das lehmverschmierte Glas sauber, stellte auf anaeroben Metabolismus um und hielt die Mündung an die rauhe Oberfläche. Der Zeiger schlug aus, in einem nicht allzu schnellen, gleichmäßigen Puls. Waren es demnach Aerobionten und Anaerobionten zugleich? Wie konnte das sein? Er kannte sich darin nicht aus, aber das hätte hier wohl niemand gekonnt.

Im Regen durch die Schlammbäche stapfend, geriet er an immer andere Buckel. Die metabolischen Pulsschläge unterschieden sich voneinander in der Geschwindigkeit. Konnte es sein, daß die einen schliefen und die anderen wachten? Wie um die Schlafenden zu wecken, schlug er mit der Faust gegen die rauhen Wanste, den Puls aber änderte er damit nicht. Er war so in Fahrt gekommen, daß er in einer der Gassen beinahe über eines der Antennenseile gestürzt wäre, das sich schräg in den milchigen Nebel spannte, hinauf zu den Maschen des jetzt unsichtbaren Spinnennetzes. Er hatte gar nicht wahrgenommen, daß das Chronometer mit zunehmender Stärke seinen Warnton ausstieß. Nun, da er es merkte, waren hundertzwanzig Minuten vergangen. Wie hatte er sich so vergessen können? Was nun? Der Flug zur Rakete hätte drei bis vier Minuten gedauert, aber der Treibstoff im Behälter reichte gerade für einen Sprung von zweihundert Metern, vielleicht auch für dreihundert… Gerade bis zum Jeep — aber dann waren es immer noch mehr als sechs Meilen. Mindestens eine Viertelstunde… Also los? Und wenn HERMES eher zuschlägt und sein Gesandter hier nicht umkommt als ein Held, sondern als der letzte Idiot? Er griff nach dem Spaten — vergebens, denn die Tasche war leer, der Spaten steckengeblieben neben der ausgehobenen Grube. Wie sollte er ihn wiederfinden in diesem Labyrinth?

Er nahm das Biometer in beide Hände, holte aus und hieb den Apparat gegen die rauhe Kruste, er schlug zu, bis sie barst. Wie aus einem Bovist stiebte gelblichweißes Pulver aus der Bruchstelle, nicht die Augen eingesperrter Geschöpfe glotzten hervor, sondern eine geschlossene Oberfläche hatte eine klaffende Wunde erhalten, in deren tiefen Schnittflächen Tausende Porengänge durchtrennt waren — ein mit der Axt halbierter Brotlaib, der im Innern zähen, unausgebackenen Kuchenteig trug. Tempe holte, die Hände hocherhoben, zum nächsten Schlag aus und erstarrte. Am Himmel über ihm war ein schrecklicher Glanz erschienen. Der HERMES hatte das Feuer auf die Antennenmasten außerhalb des Kosmodroms eröffnet, die Wolkendecke war auf einen Schlag zerpflückt, der Regen verdunstete in weißen Schwaden. Die Sonne des Lasers ging auf, der thermische Schlag fegte Nebel und Wolken weg und gab den Blick frei auf den weiten Gebirgshang, der übersät war von einem Gewimmel nackter, wehrloser Klümpchen. In diesem Augenblick, als das himmelhohe Spinnennetz mit seinen Antennen brennend über ihm zusammenbrach, begriff Tempe, daß er die Quintaner gesehen hatte.

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