Wann geschah es also? Es gab nur eine Gelegenheit, und die wurde auch voll genutzt. Während ich halb erfroren mit Percival unter dem Turbogenerator hockte, lag meine „Zofe“ mit meinem Arzt in meinem Bett. Der junge Mann hat also vorzügliche Eltern! Ein Witz am Rande: Jerry wohnt heute mit seiner netten Frau Dian in Neu-Brisbane — aber Tilly hat ihm nichts davon gesagt, daß in unserem Haushalt ein Sohn von ihm lebt. Ist das ein weiterer „erstaunlicher Zufall“?
Ich glaube nicht. Der Beruf des Arztes gehört hier zu denen, für die kein Beitrag entrichtet werden muß; Jerry wollte heiraten und die Raumfliegerei an den Nagel hängen — und wozu sollte sich jemand auf der Erde niederlassen, wenn er Gelegenheit hat, sich sämtliche Kolonien anzuschauen? Der größte Teil unserer Familie läßt sich jetzt bei Jerry behandeln; er ist ein guter Arzt. Gewiß, wir haben zwei eigene Ärzte in der Familie, die aber nie praktiziert haben; früher waren sie Gen-Chirurgen Versuchsbiologen, Genetik-Ingenieure — jetzt sind sie Landwirte.
Auch Janet kennt die Väter ihres ersten Kindes — beide Ehemänner aus jener Zeit, Ian und Georges.
Warum beide? Weil sie es so haben wollte und weil Janet einen eisernen Willen hat. Ich habe mehrere Versionen vernommen, doch ich glaube, daß sie hinsichtlich ihres ersten Kindes nicht zwischen den beiden wählen wollte.
Bettys erstes Kind ist mit ziemlicher Sicherheit nicht mit dem Skalpell entstanden und könnte legitim sein. Betty aber setzt sich mit solcher Energie über alle Konventionen hinweg, daß sie es fertigbringt zu erzählen, das Kind sei das Ergebnis einer Orgie nach einem Maskenball. Neu-Brisbane ist eine sehr ruhige Gemeinde, doch ein Haushalt, zu dem Betty Frances gehört, kann einfach nicht langweilig sein.
Vermutlich wissen Sie über die Rückkehr des Schwarzen Todes mehr als ich. Gloria meint ja, meine Warnungen hätten Luna City gerettet, aber ich finde dieses Lob stünde eher dem Chef zu — meine kurze Karriere als Weissagerin fällt im Verhältnis zu seiner langen Tätigkeit kaum ins Gewicht.
Die Pest beschränkte sich auf die Erde; das war auf jeden Fall das Werk unseres Chefs — obwohl während der kritischsten Phase Neu-Brisbane die Forderung durchsetzte, daß jedes Landungsboot erst dem Vakuum ausgesetzt und dann neu mit Luft gefüllt werden mußte. Diesem Vorgehen fielen etliche Ratten und Mäuse — und Flöhe zum Opfer. Der Kapitän des Raumschiffes stellte nach diesem Ergebnis der Aktion seine lautstarken Proteste ein.
Beitrittszahlungen: Die Post zwischen Botany Bay und Erde/Luna dauert vier bis acht Monate hin und zurück — nicht schlecht für hundertundvierzig Lichtjahre. (Ich hörte mal eine Touristin fragen, warum wir denn nicht die Funkpost benutzten.) Gloria bezahlte die für mich fälligen Gebühren so schnell es ging und stattete mich großzügig mit Startkapital aus — das Testament des Chefs ließ ihr da viel Bewegungsspielraum. Sie brachte nicht das Gold auf den Weg, vielmehr wurden die Werte auf dem Konto der Kolonie in Luna City gutgeschrieben; dagegen wurden dann Lieferungen und andere Käufe der Kolonie angerechnet.
Pete aber verfügte über sehr wenige weltliche Güter, während Tilly, eine Pseudo-Sklavin, überhaupt nichts besaß. Ich hatte noch einen Rest meines Lotteriegewinns, außerdem meine Entlassungszahlung und sogar ein paar Aktien. Damit holte ich die anderen Flüchtlinge aus der Klemme — unsere Kolonie schickt niemanden fort … es hätte aber Jahre dauern können, bis er seinen Anteil voll eingezahlt hatte.
Beide wollten sich nicht auf diese Weise von mir helfen lassen. Aber ich stellte mich störrisch an. Es bleibt ja ohnehin alles in der Familie, doch ohne die Hilfe von Percival und Matilda hätte man mich mit ziemlicher Sicherheit wieder eingefangen und im Sternenreich diskret umgebracht. Trotzdem bestanden sie darauf, mir zurückzuzahlen, was ich vorgeschossen hatte.
Wir schlossen einen Kompromiß. Mit ihren Zah-lungen und anderen Beiträgen von den übrigen Familienmitgliedern brachten wir den Asa-HunterBoot-auf-dem-Wasser-Hilfsfonds in Gang, der dazu gedacht ist, Schiffsflüchtlingen oder sonstigen bedürftigen neuen Kolonisten zu helfen.
Ich denke heute nicht mehr über meine seltsame und zuweilen beschämende Herkunft nach. „Ein menschliches Baby setzt eine Menschenmutter voraus“, das hatte Georges mir vor langer Zeit gesagt. Es stimmt und zum Beweis habe ich Wendy. Ich bin ein Mensch und ich gehöre dazu!
Ich finde, mehr will niemand. Dazugehören. Ein Teil der „Leute“ sein.
Und wie ich dazugehöre! Letzte Woche habe ich mir mal überlegt, warum ich so wenig Zeit habe. Ich bin Sekretärin des Stadtrats. Außerdem Programmverantwortliche des Elternbeirats für die Schule. Ich bin Kompaniechefin der Pfadfinderinnen von NeuToowoomba. Ich bin Ex-Präsidentin des Garten-Klubs und gehöre zum Planungskomitee der Universität die im Entstehen begriffen ist. Ja, ich gehöre dazu.
Es ist ein angenehmes Gefühl, ein Glücksgefühl.
Autorisierte Angetriebene Flieger